28.07.2010

Neue Instrumente zur Erforschung von Nahrungsketten


Einer Forschungsgruppe von Ökologen und Mathematikern ist es gelungen, der Komplexität von Nahrungsketten eine Struktur zu verleihen. Die Forschenden der Universitäten Freiburg und Genf haben neue Instrumente zur Erforschung von Nahrungsketten in den Ökosystemen entwickelt. Aufgrund der „latenten Eigenschaften“ jeder Spezies kann mittels statistischer Modelle die Struktur der Nahrungsketten vorausgesagt werden.

Die Grösse von Raubtieren ist wichtig

Die Architektur der Nahrungsketten ist nicht zufallsbedingt. Vielmehr besitzt sie gemeinsame Strukturen. Es geht also darum zu verstehen, welche biologischen Faktoren diese Regelmässigkeiten erklären können. Als Erstes verweisen die Forschenden auf einen bekannten Faktor: Die Körpergrösse der Raubtiere. Tatsächlich sind Raubtiere generell grösser als ihre Beute. Aus diesem Grund haben die Autoren ein erstes statistisches Modell vorgeschlagen. Dieses bezieht sich auf die Statur von Raubtieren und deren Beute und ermöglicht es, die Existenz einer Nahrungswechselwirkung zwischen jedem Paar einer Art vorauszusagen. Gestützt auf die Verwendung eines Datensatzes von 12 Nahrungsketten, aus mariner und festländischer Umgebung, in der 24 bis 79 Arten vertreten sind, konnten dank diesem Faktor durchschnittlich 20% der beobachteten Interaktionen korrekt vorausgesagt werden. Mit dem Ziel diese Prognosen zu verbessern, hat sich das Forschungsteam auf andere biologische Faktoren konzentriert, die zur Architektur von Nahrungsketten beitragen.

Neu können „latente Eigenschaften“ geschätzt werden

Dr. Rohr und seine Koautoren haben ein statistisches Modell entwickelt, das sich auf die Schätzung von „latenten Eigenschaften“ stützt und durchschnittlich 73% Interaktionen vorauszusagen vermag. Die „latenten Eigenschaften“ werden als bedeutende Faktoren angesehen, können aber nicht beobachtet werden. Die Herausforderung liegt in der Schaffung eines adäquaten mathematischen Modells zu deren Berechnung. Die „latenten Eigenschaften“ quantifizieren für jede Spezies Informationen über die Nahrungskette, welche nicht durch die Körpergrösse erklärbar sind. Werden die Werte der „latenten Eigenschaften“ mit den unabhängigen biologischen Informationen jeder Spezies verbunden, kann die Struktur der Nahrungsketten besser verstanden werden. Tatsächlich ist die Taxonomie stark mit den „latenten Eigenschaften“ verbunden und das bedeutet, dass die Evolutionsgeschichte der Spezies ein Schlüsselelement zum Verständnis der Struktur der Nahrungskette darstellt: Ausgehend von derselben Körpergrösse – handelt es sich um eine Grasmücke oder einen Buchfinken – kann die Position in der Nahrungskette variieren. Eine Ausnahme bilden 3 Wassersysteme, denn in diesem Umfeld bleibt die Körpergrösse dominant: Der grosse Fisch frisst die kleinen. Der Ansatz der „latenten Eigenschaften“ kann ohne Schwierigkeiten zur Analyse von anderen biologischen Netzwerken – von Protein- bis Pflanzenbestäuber-Netzwerken – herangezogen werden. Sein Gebrauch in der Ökologie ist von fundamentalem Interesse und ebenso nützlich um Modelle, die Antworten der Ökosysteme auf den globalen Klimawandel ergründen, zu verfeinern.

Forschungsgruppe: Rudolf Philippe Rohr (Universität Freiburg), Heike Scherer (Universität Genf), Patrik Kehrli (Agroscope Changins-Wädenswil ACW), Christian Mazza (Universität Freiburg) und Louis-Félix Bersier (Universität Freiburg)

Kontakt: Prof. Louis-Félix Bersier, Departement für Biologie, Einheit Ökologie und Evolution, Universität Freiburg, 026 300 88 69, louis-felix.bersier@unifr.ch

Quelle : Dienst für Kommunikation und Medien, Universität Freiburg, 026 300 70 34, communication@unifr.ch