Dossier
Emojis für mehr Inklusion
Es gibt sie in vielen Hautfarben, mit Kopftuch, als lesbisches Paar oder auch alleinerziehend und aus unserer modernen Kommunikation sind sie nicht mehr wegzudenken: die Emojis. Aber wer entscheidet über Neuzugänge in der Emoji-Welt? Bilden die bunten Graphiken die soziale Inklusion ab – oder verhelfen sie der Gesellschaft dazu? Ein Gespräch mit Medienexpertin Maria Lauber
Emojis sind Bilder. Bilder erzählen Geschichten, und Geschichten sind persönlich. Als Shigetaka Kurita, sozusagen der Vater der Emojis, im Jahre 1999 für einen japanischen Mobilfunkanbieter mit ein paar wenigen Pixeln herumexperimentierte, entstanden 176 Piktogramme, die aufgrund ihrer Schlichtheit nicht unter das Urheberrecht fielen und deshalb leicht zu verbreiten waren. Die Emojis, heute viel bunter, detailreicher und schon fast 3’000 an der Zahl, erzählen mittlerweile die Alltagsgeschichten von Millionen von Menschen, einfach und emotional. Sie sind vielleicht deshalb so beliebt, «weil unser Gehirn ökonomisch ist und stets versucht, mit möglichst wenig Aufwand klarzukommen. Dank der Emojis als visuelle Art der Kommunikation muss es nicht erst Buchstaben zu einem sinnvollen Wort zusammensetzen», sagt Medienexpertin Maria Lauber. Was aber, wenn sich einige weder demographisch noch identitär darin wiederfinden können? Was, wenn die Vielfalt an bestehenden Symbolen nicht reicht, um sich persönlich auszudrücken? Wie weit darf Inklusion gehen, wenn unsere Kommunikation dabei kompliziert zu werden droht?
Kommunikation war immer kompliziert
Was wie ein digitales Kommunikationsendzeitszenario klingt, ist gar keins. Unsere Kommunikation wird nicht automatisch komplizierter, nur weil sich ein paar Bilder mehr in unserer WhatsApp-Liste finden: Häufig genutzte Emojis werden automatisch als leicht abrufbare Favoriten gespeichert, Hautfarben lassen sich fix einstellen und auch sonst können die Bildchen rasch über die Suchfunktion diverser Messenger gefunden werden. Wenn etwas kompliziert ist, dann höchstens die Interpretation der Chat-Bildchen: Im Grunde genommen sind Emojis nichts anderes als simple Schriftzeichen bzw. die Art, bestimmte Schriftzeichen darzustellen – vergleichbar mit unterschiedlichen Schriftarten bei Texten. Seit ihrer Veröffentlichung in der Version 6.0 im Jahre 2010 sind sie Teil des Unicode Standards. Dieser legt für jedes sinntragende Schriftzeichen oder Textelement aller bekannten Schriftkulturen und Zeichensysteme einen digitalen Code fest. Ziel des Unicodes ist es, alle Schriftzeichen der Welt zu vereinen und inkompatible Kodierungen zu beseitigen. Der Standard wird dabei vom gemeinnützigen Unicode Consortium herausgegeben. Sobald eine neue Liste publik wird, müssen die Emoji-Verantwortliche selbst entscheiden, wie die Emojis ihres Unternehmens designed werden. Diese Grafiken, sei es in der Version von Apple, Google, Twitter oder Facebook, sind, da als eigene Werke dieser Firmen anerkannt, urheberrechtlich geschützt. Und da die Emojis je nach Anbieter immer leicht anders aussehen, schaut ein lächelnder Apple-Teufel auf einem Samsung-Endgerät eher lüstern. Auch kulturelle Missdeutungen sind kaum zu vermeiden: «Gefaltete Hände, in Asien deutlich häufiger anzutreffen als in Europa, können im Westen rasch als High Five oder als Bitte missverstanden werden» erklärt Lauber. «Der grinsende Kackhaufen steht in Japan für Glück, in der Schweiz illustriert er meistens einen schlecht gelaufenen Tag oder eine beschleunigte Verdauung.» Und wenn ernsthaft darüber diskutiert wird, ob zukünftig auch ein weinendes Häufchen einen sicheren Platz in der Liste finden soll, dann haben Transfahnen, Liebespaare mit unterschiedlichen Hautfarben, non-binäre Menschen und Emojis für Menstruation erst recht eine Daseinsberechtigung.
Muss jetzt jede noch so kleine Minderheit berücksichtigt werden? Laubers Antwort lautet: ja. Solange die Welt sich darüber lustig macht, dass Google das Ei vom Salat-Emoji löscht, um Veganer und Veganerinnen zu inkludieren; solange das gelbe Standard-Emoji weiterhin eine weisse Norm darstellt; solange starre Rollen- und Geschlechtszuweisungen über gegenderte Emojis weiter reproduziert werden, sprich strukturelle Diskriminierungen, Heteronormativität und hegemoniale Missstände vorherrschen, solange ist Sichtbarkeit wichtig, um Individuen, die sich innerhalb von Minderheitengruppen bewegen, zu signalisieren, dass sie sein dürfen und Teil einer stärkenden Community sind. «Das Ideal wäre wohl eine Gesellschaft, die weder normativ noch wertend ist». Solange dieser Status nicht erreicht ist, können die witzigen Bildchen ihren politischen Teil dazu beitragen. Emojis sind Sprache – und Sprache bildet nicht nur unsere Gesellschaft ab, sie gestaltet sie aktiv mit. «Sie erzeugen eine Wirklichkeit mit, mit welcher wir klarkommen müssen», ergänzt Maria Lauber. Wenn wir also moderne Roboter entwickeln, die laufen, schreiben oder sich unterhalten können, dann sollte auch eine Applikation möglich sein, die möglichst viele Menschen mit wenig technischem Aufwand inkludiert. «Dabei ist das Bedürfnis, die Emojis auch möglichst genau die Wirklichkeit abbilden zu lassen, äusserst gross. Die Menschen sind vielfältig und sie wollen sich selber und die Welt als Emoji sehen», sagt Lauber. Es ist noch nicht so lange her, da wurde die Wissenschaft mit Emojis wie Petrischalen, Reagenzgläser und einem DNA-Doppelstrang beglückt. Nur drehte sich die Form des Moleküls nach links. Für Forschende war das Emoji inakzeptabel, denn es ist die Regel, dass sich eine solche Doppelhelix nach rechts windet.
Scheinbare Grenzen unserer Technik
Am 17. Juli ist Welt-Emoji-Tag. Apple feierte ihn dieses Jahr mit der Lancierung von siebzig neuen Bildzeichen für iOS 12 und machte davor verschiedene Vorschläge für Emojis, die Personen mit einer Beeinträchtigung be-rücksichtigen sollen. Vorangetrieben hat die positive Entwicklung mitunter die «Aktion Mensch», welche die sogenannten Inklumojis ins Leben gerufen hat. Es spricht wirklich nichts gegen Emojis von Blindenhunden, Menschen auf Rollstühlen und mit Prothesen. Aber ist es nicht ein wenig ironisch, wenn gleichzeitig die Software-Entwicklung für Menschen mit einer Beeinträchtigung hinterherhinkt? Einige von ihnen besitzen nicht die nötige Feinmotorik in den Händen, um Emojis direkt auf einem Smartphone zu benutzen. Viele müssen ihre Nachrichten mithilfe von Spracherkennungsprogrammen verschicken, die aber nicht über die passenden Sprachbefehle in den Chatanwendungen verfügen. Es mangelt also nicht an Inklumojis, sondern an Unternehmen, die in die Optimierung von Hilfsmitteln investieren. Oder wird Inklusion nur grossgeschrieben, wenn sie sich gut an die breite Masse verkaufen lässt?
Reale Grenzen unserer Mitbestimmung und Auswege
Neue Emojis vorschlagen oder in den Unicode Standard aufnehmen können alle – zumindest in der Theorie. Denn wer sich die 18’000 Dollar an jährlichem Mitgliedschaftsbeitrag leisten kann, um über die beliebten Emojis bestimmen zu können, sind vor allem Technologie-Konzerne wie Google, IBM, Microsoft oder Adobe. Darf ein Gremium mit Mitgliedern, die eher als privilegiert einzustufen sind, denn das Recht haben, darüber zu bestimmen, welche Emojis dazugehören und welche nicht? «Wer sich diesem Prozess entziehen will, hat immerhin die Möglichkeit, personalisierte Emojis über entsprechende Apps zu entwerfen oder offene und legale Emoji-Implementierungen zu nutzen», schlägt Lauber vor. Es bleibt zu hoffen, dass das freie Kombinieren von Attributen irgendwann unsere starren Rollen- und Geschlechtsvorstellungen lockert.
Unsere Expertin Maria Lauber ist Lektorin am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung. Sie forscht über Identität, Gender und Medien.