KlimawandelPublikationsdatum 24.06.2022

Durch die Klimaerwärmung bilden sich neue Flüsse an der Oberfläche der grönländischen Eiskalotte


Mithilfe von über 25'000 Satellitenbildern konnten Andrew Tedstone und Horst Machguth, zwei Forscher der Universität Freiburg, beobachten, dass der Abfluss von Schmelzwasser aus dem grönländischen Eisschild in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Das Phänomen ist auf den Klimawandel zurückzuführen und trägt einen Millimeter pro Jahr zum Anstieg des Meeresspiegels bei.

Der grönländische Eisschild ist eine immense Eismasse in der Arktis. Würde er völlig abschmelzen, hätte das einen Anstieg des Meeresspiegels um sieben Meter zur Folge. Die Arktis hat sich in den letzten Jahrzehnten erwärmt, und die Wissenschaft konnte bereits feststellen, dass die Menge an Schmelzwasser, das vom Eisschild ins Meer fliesst, ansteigt. Die Arktis hat sich in den letzten Jahrzehnten erwärmt, und die Wissenschaft konnte bereits einen Anstieg feststellen der Menge an Schmelzwasser, das vom Eisschild ins Meer fliesst. Dieses Phänomen trägt einen Millimeter pro Jahr zur Erhöhung des Meeresspiegels bei.

Der Eisschild wird undurchlässig
Ein Grossteil der Eiskalotte ist mit Firn bedeckt, also mit Altschnee, der sich nach und nach verfestigt und zu Eis wird. Die oberen Meter dieses Firns wirken wie ein Schwamm: Wenn die Oberfläche schmilzt, rinnt das Wasser in die darunterliegenden Poren. Dort gefriert es wieder und bildet dünne Eisschichten im Inneren des Schwamms, fliesst aber nicht ins Meer. Mit der Häufung der Schmelzphasen in der letzten Zeit ist die Wassermenge im Firn angestiegen, was wiederum dazu führt, dass diese Eisschichten deutlich grösser werden. Mittlerweile sind sie mehrere Meter dick, sodass das Wasser Schwierigkeiten hat, in die verbliebenen Poren des Firns einzusickern, und daran gehindert wird, an Ort und Stelle zu gefrieren. Die Frage ist also, wohin das Schmelzwasser jetzt fliesst.

Mehr Schmelzwasser an der Oberfläche
Zwei Forscher von der Universität Freiburg, Andrew Tedstone und Horst Machguth, haben mehr als 25000 Satellitenbilder analysiert und die Bildung von Flüssen an der Oberfläche der Eiskalotte Sommer für Sommer nachverfolgt. In ihrer aktuellen Studie, die in Nature Climate Change veröffentlicht wurde, halten sie fest, dass die Abflusszone mit oberflächlichen Flüssen zwischen 1985 und 2020 um 29 Prozent zugenommen hat, was der gesamten Fläche der Schweiz entspricht. «Durch die starke Schmelze und das erneute Gefrieren des Schmelzwassers haben sich die oberen Schnee- und Firnschichten in dickes, kaum durchlässiges Eis verwandelt. Dies begünstigt sogar in kühleren Sommern den Abfluss aus den hoch gelegenen Bereichen des Eisschildes», erklärt Andrew Tedstone. «Wasser, das früher an Ort und Stelle wieder gefror, muss jetzt nach unten abfliessen. So entstehen grosse Flüsse, deren Wasser letztlich ins Meer mündet» Die Forscher gehen davon aus, dass 5 bis 10 Prozent des aktuellen Verlusts des Eisschildes auf den Abfluss aus diesen hoch gelegenen Bereichen zurückzuführen sind.

Anstieg der Eisschmelze zu erwarten
Aufgrund der Klimaerwärmung wird sich die Schmelze in den oberen Schichten des Eisschildes noch verstärken. Dies dürfte wiederum dazu führen, dass sich die Eisplatten weiter ausbreiten und in der Folge neue oberflächliche Flüsse entstehen. Die Bereiche der Eiskalotte, aus denen Schmelzwasser ins Meer fliesst, werden folglich immer grösser.

«Die Satellitenbeobachtung zeigt, wie stark die Wiedergefrierprozesse von Wasser im Firn den Meeresspiegel beeinflussen», so Horst Machguth, der das vom Europäischen Forschungsrat ERC finanzierte Projekt der Universität Freiburg zum zunehmenden Schmelzwasserabfluss in Grönland leitet. «Zusammen mit unserer Feldarbeit auf der Eiskalotte sind diese Ergebnisse wesentlich, um die Eisschildmodelle zu verfeinern, anhand derer wir den künftigen Anstieg des Meeresspiegels abschätzen.»


Veröffentlichung in Nature Climate Change lesen