74 Schweizer Imame besuchten Kurse – gut gegen Extremismus?

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Freiburg«Salafisten erreicht man so nicht» – Imam-Ausbildung der Schweiz wird scharf kritisiert

Seit wenigen Jahren gibt es einen Workshop für Imame. Sie lernen das System Schweiz im Schnelldurchlauf. Ob das Extremismus verhindert, ist umstritten.

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Seit wenigen Jahren gibt es für Imame in der Schweiz einen dreitägigen Workshop. Koran im Wohnzimmer, Urdorf, Mai 2020.
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Organisiert wird dieser Workshop von der Universität Fribourg (im Bild) sowie von der Föderation islamischer Dachverbände in der Schweiz (FIDS). Der Bund sowie mehrere Stiftungen finanzierten die erste Kursreihe.
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Der St. Galler Imam Mehas Alija war einer der Kursteilnehmenden des Workshops. Auch sonst hat der gebürtige Nordmazedonier einen grossen Bildungsrucksack.
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Seit wenigen Jahren gibt es für Imame in der Schweiz einen dreitägigen Workshop. Koran im Wohnzimmer, Urdorf, Mai 2020.

Tamedia

Darum gehts

  • Von 2020 bis 2022 führte das schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft von der Universität Fribourg Workshops für Imame durch.

  • In der Schweiz leben 120 Imame, 74 haben die Weiterbildung besucht. Davon die Hälfte Frauen.

  • Eine Evaluation der Universität Luzern lobt den Kurs, sagt aber auch, dass die sehr konservativen oder gar salafistischen Imame mit diesem Kursangebot nicht erreicht würden.

Der St. Galler Imam Mehas Alija (39) hat letztes Jahr den Integrationskurs absolviert, der seit kurzem in der Schweiz angeboten wird. Während dreier Tage lernen die Imame das System Schweiz: Politik, Religionen, Netzwerke, Umgang mit Medien, und was von einem Imam in der Schweiz erwartet wird. Zwei Tage werden am Stück durchgeführt, der dritte Tag ein paar Monate später für Repetition und Praxis-Übungen. Diejenigen Imame, die frisch in der Schweiz sind, müssen am dritten Kurstag eine Landessprache beherrschen.

Önder Günes, Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS), freut sich darüber, dass die Kurse endlich realisiert wurden, die in jüngster Zeit 74 Imame abgeschlossen haben. Organisatoren sind die Universität Fribourg und die FIDS, finanziert wird der Kurs vom Bund und von drei Stiftungen.

50 Prozent Frauen

Die Imam-Weiterbildung sei anspruchsvoll, sagt SZIG-Direktor Hansjörg Schmid. Die Imame hätten sehr unterschiedliche Hintergründe betreffend Berufsbildung oder Studium, Sprachkenntnisse und Stand der Integration. Und auch die Aufgaben eines Imam seien nicht klar vorgegeben.

Auch die Universität Luzern kam zu einem positiven Schluss. Die Weiterbildung habe einen spürbaren Effekt, insbesondere bei den Imamen, die frisch in die Schweiz gezogen sind, heisst es in einem Bericht vom Februar 2023. Zudem seien 50 Prozent der Workshop-Teilnehmenden Frauen gewesen, welche in den Moscheevereinen Aufgaben haben, etwa als Lehrerinnen.

Eine Schwierigkeit bestehe darin, auch jene Imame ins Boot zu holen, die den Workshop besonders nötig hätten. «Der gemeinhin als «sehr konservative» oder gar «salafistische» Islam, der nun eben auch Bestandteil der muslimischen Landschaft in der Schweiz ist, war kaum oder gar nicht vertreten.» Man solle deshalb auch über Formate nachdenken, mit denen Vertreterinnen und Vertreter dieses Teilbereichs erreicht werden könnten.

Kritikerin: «Finanziert von Kuwait und Katar»

Saïda Keller-Messahli, Autorin des Buches «Islamistische Drehscheibe Schweiz», betrachtet das Engagement kritisch. Schweizer Moscheen würden durch Geldgeber in Katar und Kuwait finanziert, was von den Imamen systematisch geleugnet werde. «Der Weiterbildungskurs hinterfragt das Lügengebäude der Imame nicht, sondern baut darauf auf und verstärkt dieses noch.»

Die Weiterbildungs-Kurse hätten sogar in diesen Gebäuden stattgefunden. Die Geldgeber würden lediglich dazu benutzt, um von den Millionen im Hintergrund abzulenken und sich eine politisch legitimierte Fassade zu geben.

«Dann ist einiges schiefgelaufen»

Die grosse Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in der Schweiz fühle sich vom patriarchalen und frauenfeindlichen Islam der Moscheen nicht vertreten, sagt Keller-Messahli. Zudem: «Wenn Imame, die schon seit Jahren oder Jahrzehnten in der Schweiz leben und wirken, neuerdings zu einer Schnellbleiche antraben sollen, welche ihnen grundlegende Werte der Schweizer Gesellschaft beibringen will, dann ist einiges schiefgelaufen.»

SZIG-Direktor Hansjörg Schmid kontert: «Es stimmt nicht, dass unsere Workshops in Moscheen abgehalten wurden, die aus dem Ausland finanziert worden sind.» Tatsächlich gebe es in der Schweiz eine Handvoll Moscheen mit Auslandsfinanzierung, aber das bedeute nicht, dass diese den ausländischen Geldgebern deswegen hörig sind. «Auch diese Moscheen und ihre Vertreter vernetzen sich in der Schweiz.» Der Integrationskurs sei breit abgestützt, von zwei Bundesämtern mitgetragen und thematisiere auch kontroverse Bereiche wie Geschlechterrollen sehr kritisch.

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