Publikationsdatum 21.06.2022

Professor LeBoeuf erhält HFSP-Förderung: Austausch als Schlüssel zur Forschungsexzellenz


Adria LeBoeuf ist Assistenzprofessorin am Departement für Biologie, Ökologie und Evolution der Universität Freiburg, wo sie seit 2019 ein PRIMA Stipendium des SNF bezieht und gerade mit einem prestigeträchtigen Kooperationsstipendium des Human Frontier Science Program (HSFP, 2022) ausgezeichnet wurde. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Erforschung von Ameisen mit dem Ziel, die Art des Flüssigkeitsaustauschs zwischen diesen Insekten zu verstehen sowie die soziale Rolle zu verstehen, die ein solcher Austausch auf Kolonieebene mit sich bringt, sei es zur Nahrungswahl, zur Feststellung der sozialen Funktion oder zur Interaktion als Gemeinschaft. Dieses Interesse daran, wie Organismen und Individuen sich austauschen und interagieren, zieht sich durch das gesamte Leben und die Karriere von Professor LeBoeuf. Wenn es etwas gibt, das bei einer Begegnung mit ihr auffällt, dann ist es die Art und Weise, wie sie die Zusammenarbeit und den Austausch mit Aussenstehenden nutzt, sei es zwischen wissenschaftlichen Disziplinen oder zwischen Forschenden und der Öffentlichkeit.  Ihr Ziel dabei ist es, die Forschung voranzutreiben und die Abläufe komplexer Stoffwechselvorgänge besser zu verstehen – ebenso wie die Gesellschaft als Ganzes, wenn solche Stoffwechselmuster als Metaphern für soziale Interaktionen betrachtet werden.

Die Interdisziplinarität ist somit ein Schlüsselelement in Prof. LeBoeufs bisheriger akademischer Laufbahn: Sie wurde für ein BA-Studium am renommierten College of Creative Studies (University of California, Santa Barbara) ausgewählt, das es ihr ermöglichte, den Schwerpunkt auf ihr Biologiestudium zu legen, gleichzeitig aber auch andere Interessen zu verfolgen und phantasievoll Brücken zwischen den Disziplinen zu schlagen. Danach verbrachte sie einige Zeit mit der Erforschung der Evolutionspsychologie und der molekularen Neurowissenschaften, bevor sie an der Rockefeller University (New York) in Neurowissenschaften und Biophysik promovierte. Danach forschte sie als Postdoktorandin an der Universität Lausanne und als Swiss Friends of Weizmann Postdoctoral Fellow am multidisziplinären Weizmann Institute of Science in Israel. Es ist dieser Karriereweg, der durch die Kombination all dieser Themen gekennzeichnet ist, der ihre aktuelle Forschung so einzigartig macht.

Die Wahl ihres Forschungsthemas ist keineswegs zufällig: Mit mehr als 14.000 Arten sind die Ameisengesellschaften unglaublich vielfältig, was den Grad der Ungleichheit und das Ausmass der Arbeitsteilung innerhalb jeder Gemeinschaft angeht, und erinnern in gewisser Weise an die unterschiedlichen sozio-politischen Systeme, die in menschlichen Gesellschaften herrschen. Eine Möglichkeit, diese Organisation und soziale Interaktion zu erreichen, ist die Trophallaxis, der Austausch von Nahrungsflüssigkeit von Ameise zu Ameise von Mund zu Mund.

Professor LeBoeuf und ihre Gruppe haben sich zu weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Trophallaxis entwickelt und der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine Datenbank zur Verfügung gestellt, die als Grundlage für die Arbeit an diesem Thema dient, ebenso wie eine Vielzahl wegweisender Veröffentlichungen. Das Faszinierendste an den Gesprächen mit ihr ist jedoch ihr integrativer Ansatz bei diesem Thema sowie die Art und Weise, wie sie diese Kolonien sozialer Insekten als komplexe Stoffwechselvorgänge sieht. Der trophallaktische Austausch ist aus ihrer Sicht eine Form der metabolischen Arbeitsteilung, wobei bestimmte Ameisen ähnlich wie menschliche Organe funktionieren, die die Arbeit erledigen und den Rest des Körpers mit den für das Funktionieren erforderlichen Proteinen und Nährstoffen versorgen. Der ständige soziale Austausch von Flüssigkeit innerhalb der Kolonie führt zu einer Art sozialem Kreislaufsystem, das diesen komplexen Stoffwechsel vermittelt. Manche Ameisen nutzen dieses Verhalten jedoch nicht, um Ressourcen weiterzugeben, und ihre Kolonien funktionieren einwandfrei, nur eben anders. Die Vielfalt der sozialen Konfigurationen bei den verschiedenen Ameisenarten kann uns viel über unsere eigenen menschlichen Gesellschaften verraten.

Interdisziplinarität und Austausch sind auch der Schlüssel zu ihrem neuesten Projekt, für das sie vor kurzem ein renommiertes Stipendium des HFSP (Human Frontier Science Programme) erhalten hat. Mit diesen Zuschüssen wird die Erforschung grundlegender biologischer Fragestellungen unterstützt. Sie sind stark interdisziplinär ausgerichtet und erfordern einen wissenschaftlichen Austausch über nationale und disziplinäre Grenzen hinweg. An dem auf drei Jahre angelegten Projekt, das sich mit den Dracula-Ameisen befasst, sind auch Bas Teusink, Professor für System-Bioinformatik an der VU Amsterdam, und Dr. Brian Fisher, Entomologe an der California Academy of Sciences, als Co-Projektleiter beteiligt.

Die Larven vieler sozialer Insekten sind an einer anderen Form der Trophallaxis beteiligt, da sie von den ausgewachsenen Tieren mit Beutestücken gefüttert werden, aber auch eine Form von nahrhafter Flüssigkeit an dieselben Tiere zurückgeben. Dieses "Zurückgeben" geschieht auf unterschiedliche Weise, und im Fall der Dracula-Ameisen trinken die Erwachsenen das Blut der Larven (daher der Name). Dieser Vorgang ist für die Larve harmlos, aber es stellt sich die Frage: Was wird hier ausgetauscht und welche Bedeutung hat dieser Austausch auf Kolonieebene? Dieses Projekt wird es erlauben solche Fragen zu beantworten. Dr. Fisher stellt sein Fachwissen über Dracula-Ameisen zur Verfügung, und Prof. Teusink bringt die Ressourcen für die Stoffwechselmodellierung mit, um die Funktionsweise dieses Flüssigkeitsaustauschs aufzudecken. Die strenge multidisziplinäre und internationale Ausrichtung, die in den Förderkriterien des HFSP festgelegt ist, hat Professor LeBoeuf dazu motiviert, ihr gewohntes Netzwerk zu verlassen, und das Projekt wird dadurch noch innovativer und spannender. 

Der Grundsatz, dass Austausch und Zusammenarbeit der Schlüssel zu exzellenter Forschung sind, bestimmt daher Professor LeBoeufs Forschung, aber sie macht sich diesen Grundsatz auch zu eigen, um die akademischen Karrieren ihrer Kollegen und die von Nachwuchswissenschaftler_innen zu fördern. Sie hat sogar einen Schweizer Ableger der beliebten internationalen Initiative "New PI Slack" ins Leben gerufen, eine internationale Slack-Gemeinschaft von Assistenzprofessor_innen, die sich gegenseitig bei den Herausforderungen der erfolgreichen Leitung eines unabhängigen Forschungsprojekts unterstützen (schreiben Sie ihr eine E-Mail für eine Einladung, wenn Sie interessiert sind!). In ähnlicher Weise gründete sie 2012 eine Improvisationsgruppe namens The Catalyst. Diese bringt Forschende zusammen, die Performance als Mittel zur Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit nutzen. Die Vorteile eines solchen Projekts für die Öffentlichkeitsarbeit liegen auf der Hand, aber Prof. LeBoeuf betont auch, was dieser Austausch den Forschenden selbst bringen kann: Die "Ja, und..."-Struktur der Improvisation fördert das Zuhören und die Zusammenarbeit zwischen den Forschenden; die Improvisation lehrt junge Wissenschaftler_innen auch, eine kohärente Erzählung aufzubauen, und hilft ihnen, mit dem Scheitern umzugehen, wenn eine solche Erzählung nicht funktioniert. 

Die Karriere von Professor LeBoeuf beruht daher auf einer tiefgreifenden und nachhaltigen Partnerschaft. Dasselbe strebt auch die Dienstelle Forschungsförderung der Universität Freiburg an: Wir stellen Ihnen unser Fachwissen zur Verfügung und suchen gemeinsam mit Ihnen nach den richtigen Drittmitteln für Ihr Projekt. Wir begleiten Sie auch gerne bei einem HSFP-Antrag. Die Eingabefristen für 2023 sind noch nicht bekannt, aber erfahrungsgemäss muss man bis Mitte Frühling eine Absichtserklärung einreichen, um Mitte Herbst einen vollständigen Antrag einreichen zu können. Zögern Sie nicht, uns unter research@unifr.ch zu kontaktieren, wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben. 

Möchten Sie mehr über die Forschung von Professor LeBoeuf erfahren? Hier finden Sie einige Links und Veröffentlichungen, die von Interesse sein könnten:

Website der LeBoeuf-Gruppe

Webseite der UNIFR LeBoeuf Gruppe

Sanja M Hakala, Marie-Pierre Meurville, Michael Stumpe, Adria C LeBoeuf, "Biomarkers in a socially exchanged fluid reflect colony maturity, behavior, and distributed metabolism", elife 10:e74005, 2021.

Marie-Pierre Meurville, Adria C. LeBoeuf, "Trophallaxis: the functions and evolution of social fluid exchange in ant colonies", Myrmecological News 31 (2021), pp. 1-30.