Publikationsdatum 16.04.2022

Das Grab und die Hoffnung


Das Grab und die Hoffnung

Einen toten Körper ins Grab zu legen ist eine sehr ernste Erfahrung. Sie hinterlässt die Trauer des Abschieds und die Fassungslosigkeit angesichts dieses Endes des Lebens eines geliebten Menschen. Um diese Erfahrung herum sind schon in der Steinzeit, vermutlich bereits bei den Neandertalern, so etwas wie «religiöse» Riten und «Grundfragen» menschlicher Existenz entstanden: Warum? Wo ist er/sie nun? Was dürfen wir hoffen? Auch die engsten Weggefährten und Freunde Jesu mitsamt seiner Mutter schliessen sein Grab mit einem schweren Stein und solchen Fragen.

Ja, Jesus ist wahrhaft gestorben, und sein Leichnam wurde der Kälte und der Starre des Todes ausgesetzt – wie wir alle eines Tages, wie die Toten der Pandemie und die Opfer dieses wahnsinnigen Krieges in der Ukraine heute. Wir sollten uns nicht daran gewöhnen, dass der Tod, dieser Feind, zu siegen nicht aufgehört hat (W. Benjamin).

«Am dritten Tage» nahm die Weltgeschichte unverhofft eine neue Wende, und Maria  von Magdala verkündet als erste: Jesus lebt! Es ist kein «Hokuspokus», sondern ein neues Leben, in «verklärter», lichterfüllter Leiblichkeit, von den engsten Weggefährten und Freunden auf den ersten Blick nicht erkennbar, da es bei ihnen ein grosses Staunen hervorgerufen hat. Sie brauchten Zeit, bis sie verstanden und bekannten: Jesus ist wahrhaft auferstanden von den Toten. Dieses neue Leben erwartet uns allen nach der einem jeden von uns angemessenen Reinigung und Läuterung. Denn vor Gott kann man nur «geläutert» und «reumütig», «demütig» treten. Dieses neue Leben ist die «göttliche Berufung des Menschen», denn unsere Sehnsucht nach «Mehr», kann von dieser Welt, von diesem Leben nicht erfüllt werden.

Wer sich an Jesus hält, kann dann mit Franz von Assisi vom «Bruder Tod» sprechen, oder mit dem Apostel Paulus sagen: «Tod, wo ist dein Sieg? / Tod, wo ist dein Stachel?» (1 Kor 15,55).

Und trotzdem sollten wir uns die Trauer und die Fassungslosigkeit bewahren, wenn wir einen toten, kalten Körper ins Grab legen und uns von ihm verabschieden. Denn wir hoffen mehr, als wir «erfahrungsgemäss» wissen, und die Grundfragen am Anfang der Religion um das Grab bleiben: Warum? Wo ist er/sie nun? Was dürfen wir hoffen?

Mariano Delgado, Dekan