Umwelt13.12.2018

Invasive Arten : Eine Liste der Staatsfeinde Nummer 1


Bereits heute beherbergt Europa 14'000 exotische Arten und mit der Globalisierung nimmt ihre Zahl immer weiter zu. Eine veritable ökologische Zeitbombe. Um dieses Phänomen einzudämmen, haben europäische Forschende – unter ihnen der Biologe Sven Bacher von der Universität Freiburg – 66 Pflanzen und Tiere identifiziert, die, wenn sie sich hier niederlassen würden, eine echte Bedrohung für den Kontinent bedeuten könnten.


Ausserhalb ihres Herkunftsgebiets können manche Tiere und Pflanzen zu echten Plagen werden. Ohne natürliche Feinde können sie sich auf Kosten der einheimischen Arten ausbreiten und Ökosysteme destabilisieren. Zudem verursachen sie soziale und wirtschaftliche Kosten. So wurden in den letzten Jahren beispielsweise einige Schweizer Weinberge von asiatischen Kirschessigfliegen heimgesucht. Und die hiesigen Flusskrebse, die von ihren amerikanischen Verwandten verdrängt werden, stehen inzwischen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Das Gravierendste aber ist, dass es sich dabei womöglich nur um einen Vorgeschmack auf das handelt, was uns noch bevorsteht.

Eine Schwarze Liste der Arten, die an unsere Tür klopfen.
Die Europäische Kommission hat eine Untersuchung durch eine 43-köpfige, internationale Forschergruppe finanziert, unter ihnen Sven Bacher von der Universität Freiburg. Die Wissenschafter haben jene Arten identifiziert, bei denen es am wahrscheinlichsten ist, dass sie nach Europa eingeschleppt werden, sich hier ansiedeln, ausbreiten und Biodiversität und Ökosysteme schädigen. Das Resultat ist eine Liste von 66 Arten, von denen 8 Arten ein sehr hohes, vierzig ein hohes und 18 ein mittleres Risiko darstellen.
Die Studie ist durch ihre Berücksichtigung des gesamten Kontinents, die Vielfalt der untersuchten Arten und Biotope sowie durch die verwendeten Verfahren einmalig. So wurden Pflanzen, Wirbeltiere, wirbellose Landtiere, Süss- und Salzwasserarten in die Studie mit einbezogen.
Die acht bedrohlichsten Arten sind:

  • Channa argus – Grosser Schlangenkopffisch. Ein Fisch aus dem Süden und Osten Chinas, der Anfang des 20. Jahrhunderts nach Japan eingeführt wurde. Er gedeiht in flachen Tümpeln und in Feuchtgebieten, wo er sich von einheimischen Fischen ernährt. Wahrscheinlichste Verschleppungsart: Import lebender Fische.
  • Limnoperna fortunei – Süsswasser-Miesmuschel. Ursprünglich in den Flüssen Chinas und Südostasiens heimisch. Seit 1965 auch in Hong Kong und seit den 1990er-Jahren in Japan und Taiwan anzutreffen. Die Süsswasser-Miesmuschel ist seither auch nach Südamerika und in die USA vorgedrungen. Die Effizienz, mit der sie ihre Nahrung aus der Umgebung herausfiltert, beeinträchtigt die Süsswassernahrungskette.
  • Orconectes rusticus – Amerikanischer Rostkrebs. Beheimatet in den USA, aber auch nach Kanada eingewandert. Seine Grösse und Aggressivität macht ihn für viele einheimische Räuber unattraktiv, was das rasche Anschwellen der Population in den Ökosystemen erklärt, in denen er sich niederlässt. Er konkurrenziert einheimische Arten, deren Populationen schwinden, sobald der Amerikanische Rostkrebs zur dominanten Art wird.
  • Plotosus lineatus – gestreifter Korallenwels. Heimisch im indischen Ozean, aber 2002 ins Mittelmeer eingeschleppt. Er hat sich innert weniger Jahre entlang der israelischen Küste ausgebreitet, wo er die sandigen und schlammigen Tiefen bewohnt. Der giftige Fisch verzehrt auf dem Meeresgrund lebende Tiere und Pflanzen, tritt in Konkurrenz zu anderen Arten und trägt zu deren Niedergang bei.
  • Codium parvulum – Marine Grünalge. Ursprünglich aus dem indopazifischen Becken, inzwischen aber auch vor den Küsten des Libanons und Nordisraels verbreitet. Ihre Präsenz bringt das Gleichgewicht und das Funktionieren des Ökosystems durcheinander.
  • Crepidula onyx – Marine Schnecke. An den südlichen Küsten Kaliforniens beheimatet, inzwischen aber auch in Asien sehr invasiv, wo sie in Korea, Japan oder Hong Kong beobachtet wird. Die Schnecken ernähren sich von Plankton und verändern die Ökosysteme.
  • Mytilopsis adamsi – Brackwasser-Zebramuschel. Von der Pazifikküste Panamas stammend bevorzugt diese Muschel das Brackwasser. Sie hat sich im 19. Jahrhundert im indopazifischen Becken ausgebreitet, im 20 Jahrhundert hat sie Fidschi, Indien, Malaysia, Taiwan, Japan und Australien erreicht. In gewissen Küstenregionen hat die gestreifte Muschel die einheimischen Arten komplett ersetzt. Die sehr anpassungsfähige und fruchtbare Art überlebt auch unter extremen Verhältnissen.
  • Sciurus niger – Fuchshörnchen. Beheimatet im Osten und im Zentrum Nordamerikas. An der US-Westküste tritt diese Art in Konkurrenz zum Grauhörnchen (S. griseus) und zum Douglas-Hörnchen (Tamiasciurus douglasii).

Ursprünge der Bedrohung

  • Der grösste Teil der identifizierten, potenziell gefährlichen Arten stammt aus Asien, Nord- und Südamerika.
  • Aquatische Arten werden grösstenteils unerkannt mit Schiffen mitgeschleppt werden, bei den wirbellosen Landtieren geht die Gefahr von importierten Pflanzen aus.
  • Der Mittelmeerraum, die kontinentalen Gebiete Europas, Makaronesien (Kanaren, Azoren, Madeira) und der Atlantik sind die gefährdetsten Gebiete; die Ostsee und das Schwarze Meer sowie die nördlichen Gebiete weisen ein geringeres Risiko auf. Keine Art scheint die Alpenregion zu bedrohen.
     

Die Studie bietet eine Basis für die globale Evaluation der Bedrohung, die manche Arten für die europäische Biodiversität darstellen. «Um diese Invasionen eindämmen zu können, muss die Ankunft invasiver exotischer Arten auf unserem Gebiet verhindert werden. Es ist deshalb notwendig, dass wir die Arten identifizieren können, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie sich dauerhaft ansiedeln», folgert Sven Bacher. Dabei ist es gemäss dem Freiburger Forscher unerlässlich die ökologischen, sozioökonomischen, klimatischen Faktoren sowie die Handelsrouten zu beachten.

Zur Publikation:
H.E.Roy, S. Bacher et al. (2018). Developing a list of invasive alien species likely to threaten biodiversity and ecosystems in the European Union. Global Change Biology.