Religion
Die Kirche ist neu mit einem breiten Angebot auf Youtube präsent

Durch den Digitalisierungsboom gibt es immer mehr kirchliche Youtube-Kanäle. Stylisch, in schnellem Rhythmus und mit spannenden Rubriken: Wer produziert was? Ein unvollständiger Überblick.

Vera Rüttimann
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Das Portal Brot und Liebe bietet einen Zoom-Gottesdienst an.

Das Portal Brot und Liebe bietet einen Zoom-Gottesdienst an.

Bild: Stefan Kaiser (Zug, 15. Juni 2022)

Priscilla Schwendimann sitzt in einem Studio im Pfarrhaus in Kölliken (AG). Vor der Kamera spricht sie über Themen wie Glaube, Sexualität und Familie. Zusammen mit ihrer Kollegin Claudia Steinemann produziert sie den Youtube-Kanal «Holy Shit». Ihre Zielgruppe sind Menschen, die sich in der Institution Kirche nicht mehr zu Hause fühlen. Die jungen Pfarrerinnen sind überzeugt: «Man muss dorthin gehen, wo sich die Menschen aufhalten.» Und das ist heute immer häufiger kein Kirchgebäude mehr, sondern das Internet.

Priscilla Schwendimann und Claudia Steinemann gehören zu einer neuen Spezies von Glaubens-Verkünderinnen. Influencer, die Make-Up oder Fitness-Tipps auf ihren Youtube-Kanälen verbreiten, die kennt man schon. In jüngerer Zeit treten nun die «Christfluencer» auf den Plan.

Brot und Liebe – ein Zoom-Gottesdienst

«Brot & Liebe» ist ein Zoom-Gottesdienst der anderen Art. Es ist ein ökumenisches und länderübergreifendes Projekt. Das Besondere dabei ist, dass der Zoom-Gottesdienst von zwei Teams aus Berlin (reformiert) und Zürich (katholisch) gestaltet wird. Die Gottesdienste finden regelmässig an Sonntagabenden und Feiertagen statt. Zum Team gehören bekannte Personen wie Theresa Brückner, Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum im Berliner Kirchenkreis Tempelhof.

Bei «Brot & Liebe» steht das gemeinsame Teilen von Brot und Wein im Zentrum. Ebenso wichtig sind die Geschichten, welche die am Projekt beteiligten Personen erzählen. Am 14. August wird am Vorabend von Maria Himmelfahrt aus der Schweiz gesendet. Am 28. August kommt das Video aus einer Berliner Schule. Der Zungenbrecher «URBN.K» steht für «Kirche urban». So heisst der Youtube-Kanal des Dekanats Zürich Stadt. Er zeigt Videos von sechs bis zwölf Minuten Länge und greift aktuelle und urbane Themen in Zürich auf.

Das Fasten neu entdecken

Die Videos sind in verschiedene Formate aufgeteilt. Eines heisst «40 Tage – Genügsamkeit neu entdecken». Der Fastencoach Meinrad Furrer gibt dort unter anderem Tipps für einen spirituellen Lebensstil. Bei «Real Talk» spricht Simon Brechbühler mit seinen Gästen über Themen wie die Folgen der Corona-Pandemie. In «Spezial» gibt es ein Video über die Aktion Segnung für alle zu sehen. In «My Story» erzählen Personen aus ihrem Leben.

Schon von Beginn an veröffentlichten die Podcast-Macherinnen kleine Videos auf Instagram. Mittlerweile gibt es längere Video-Reportagen auf Youtube. Einmal wird das Jugendheim Bellevue besucht, ein andermal das Sterbehospiz in St. Gallen. Bemerkenswert: «Fade Grad» ist ein ökumenisches Projekt. Es wird finanziert von den katholischen und reformierten Kirchen der Kantone St. Gallen und Appenzell.

Workshops für Video-Handwerk

Auch das Katholische Medienzentrum ist auf den Zug aufgesprungen. Seit fünf Jahren gibt es «Underkath». Die Plattform arbeitet eng zusammen mit diversen kirchlichen Jugendstellen. Verantwortlich für «Underkath» ist der Dockfilmemacher Silvan Hohl (Aufzeichnungen aus dem Abseits). Immer wieder mal bringt er in Workshops jungen Erwachsenen das Video-Handwerk bei.

Der Begriff «Underkath» setzt sich zusammen aus dem Wort für eine Kurzhaarfrisur, bei der die Behaarung der unteren Kopfhälfte rasiert wird, und der Abkürzung «kath.ch» für die Website des katholischen Medienzentrums. «Underkath» arbeitet mit Influencern zusammen. Mellissa Lischer etwa bloggt über den christlichen «Escape». Eine weitere Influencerin spricht im breiten Berndeutsch über zehn amüsante Fakten zu Pfingsten. Optisch sind die Videos veritable Eyecatcher.

Das Format «Umdenkbar»

Auch die Universität Fribourg hat mittlerweile einen eigenen Youtube-Kanal. Das Zentrum Glaube und Gesellschaft der Theologischen Fakultät nennt sein Format «Umdenkbar». Der neue Kanal beleuchtet ein relevantes Thema aus philosophischer, wissenschaftlicher und theologischer Perspektive. Visuell überrascht der Kanal. Die Videos sind in raschem Rhythmus geschnitten, grafisch innovativ und kommen manchmal fast wie ein Music-Clip daher.

Auch die Themen sind ungewöhnlich. Ein Videoessay beschäftigt sich mit der Frage: «Wie breche ich aus meiner ‹Bubble› aus und werde frei?» In einem weiteren Video widmet sich der Heidelberger Hirnforscher und Psychologe Thomas Fuchs dem Thema: «Das Gehirn ist kein Computer!» Aufgegriffen werden hochaktuelle Themen wie das Leben als Simulation, wie es der Film «The Maxtrix» zeigt. Auch neue virtuelle Räume wie Mark Zuckerbergs «Metaverse» sind ein Thema.