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Meinung

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Mietregulierung verschärft das Problem

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«Wohnungsnot», «Mietnotstand», die Aufregung ist gross. Der Mieterinnen- und Mieterverband will per Initiative die Notbremse ziehen und dem Bund mehr Kontrolle über die Mietpreise geben. Es sollen landesweit geschärfte Vorgaben bei der Mietzinsfestlegung und regelmässige Mietzinskontrollen eingeführt werden.

Ja, die Wohnungssuche wurde schwieriger. Der Leerstand ist im Durchschnitt laut Bundesamt für Statistik (BfS) auf 1,1% gesunken. Doch diese durchschnittliche Leerstandziffer ist per se noch nicht beunruhigend. Aber in Ballungszentren wie Zürich oder Genf ist der Leerstand mit 0,5 und 0,4% tatsächlich tief. Die Wohnungsknappheit ist demnach kein flächendeckendes Problem. Es gibt leere Wohnungen, aber nicht dort, wo sie primär gesucht werden.

Angebot und Nachfrage

Auch die Mietpreise sind seit 2020 laut BfS im Durchschnitt um 7,3% gestiegen. Im Vergleich zur Teuerung von 7,7% im gleichen Zeitraum ist aber auch das nicht besorgniserregend. Im Langzeitvergleich blieb zudem der durchschnittliche Anteil der Wohnausgaben am Haushaltseinkommen praktisch konstant. Das Problem liegt anderswo. Die Mietpreisentwicklung für «Bestandsmieter» und «Neumieter» ist sehr unterschiedlich. In bestehenden Mietverhältnissen ist die Mietzinsentwicklung regulatorisch stark eingeschränkt. Die sogenannten Bestandsmieten hängen von der Teuerung und Zinsentwicklung ab, nicht aber von der Wohnungsknappheit.

Daher ist das Niveau und das Wachstum der Mietpreise für die Mehrheit der Bestandsmieter sehr viel tiefer als für Neumieter. Die Neumieten, die sogenannten Transaktionsmieten, hängen direkt von der Knappheit am Mietmarkt ab. Laut Daten des Dienstleisters Fahrländer Partner für das Beispiel Zürich sind die Neumieten basierend auf Transaktionspreisen seit 2020 um 10,8% gestiegen. Der tiefe Leerstand ist also primär ein Problem für Haushalte, die sich auf dem Markt in Ballungsräumen eine Wohnung suchen.

Die Initiative will mit der Einführung der «Kostenmiete» die Festsetzung der Mietpreise flächendeckend regulieren und regelmässige Preiskontrollen einführen. Kurz: die Mieten dem «Markt entziehen». Aber damit akzentuiert sie die Probleme sowohl für Bestandsmieter als auch für Neumieter. Ob man will oder nicht. Auf der Angebotsseite reduziert sie die Anreize, neue Wohnungen zu bauen, weil die zu erwartenden Renditen – bei absehbar steigenden Bau-, Hypothekar- und Regulierungskosten – zu tief sind. Investoren stecken ihre Mittel lieber in andere Anlagen mit besseren Renditeerwartungen.

Schon heute sind die Aussichten für eine schnelle Entspannung der Lage schlecht. Die Anzahl eingereichter Baugesuche und vergebener Baubewilligungen sinkt. Die jährliche Lücke zwischen neuen Haushalten, die eine Wohnung suchen und den Wohnungen, die auf dem Markt kommen, wird auf rund 15’000 Einheiten geschätzt. Aber nicht nur das: Gleichzeitig reduziert die Initiative auch die Anreize, bestehende Wohnungen zu vermieten und über die Zeit in Schuss zu halten. Die Folgen sind eine Reduktion des verfügbaren Wohnraums und eine sich über die Zeit verschlechternde Bausubstanz.

«Werden Mieten reguliert, wird das Angebot prekär, die Mieten teuer und die Bausubstanz erodierend.»

Neben dem Angebot ist auch die Nachfrage betroffen. Die regulatorisch tief gehaltenen Preise führen zu einer zusätzlichen Ausweitung der Nachfrage. Bei tiefen Preisen möchten mehr Personen eine eigene, grössere und zentralere Wohnung haben. Das ist völlig legitim. Doch diese künstliche Ausweitung der Nachfrage kommt zur bereits wachsenden Nachfrage hinzu. Einerseits führen steigende Einkommen zu steigenden Bedürfnissen bezüglich Wohnungsgrösse und -qualität. Seit Jahren sinkt die Anzahl Personen pro Wohnung bei steigendem Raumbedarf. Andererseits führt auch die hohe Nettozuwanderung von etwa 80’000 Personen jährlich zu einer Ausweitung der Nachfrage. All das spitzt die Wohnungsknappheit zu und erhöht Mietpreise.

Schon das Beispiel Genf mit einer im Vergleich engen Mietpreisregulierung illustriert die Folgen eindrücklich: Das Wohnungsangebot ist seit Langem prekär, die Leerstandsquoten tief, die Mieten teuer, die Differenz zwischen Bestands- und Neumieten gross und die Bausubstanz erodierend. Diese Effekte treten praktisch immer auf, egal ob in Berlin oder San Francisco. Dies zeigt auch die wissenschaftliche Forschung, gehören die Immobilienmärkte doch zu den bestuntersuchten Märkten überhaupt.

Weitere Nebeneffekte

Die Initiative hat weitere Neben- und Verteilungseffekte. Eine Diskrepanz zwischen Bestandsmieten und Neumieten führt dazu, dass jene, die schon eine Wohnung haben, diese auch nicht mehr verlassen wollen. Auch dann nicht, wenn ein Umzug aufgrund einer sich veränderten Lebenssituation – durch zum Beispiel Jobwechsel – erstrebenswert wäre. Wer möchte das Privileg einer tiefen Bestandsmiete aufgeben, nur um am Markt eine viel teurere Wohnung suchen zu müssen?

Diese Immobilität für zu grossen Problemen. Unter anderem senkt sie die Bereitschaft, einen besseren Arbeitsplatz anderswo anzunehmen, oder erhöht die Pendlerdistanzen und damit die Umweltbelastung und die Nachfrage nach Transportinfrastruktur. Oder ältere Haushalte wohnen nach dem Auszug der Kinder in viel zu grossen Wohnungen, während junge Familien Mühe haben, passenden und erschwinglichen Wohnraum zu finden. Über die Zeit führt diese Immobilität so zu einer immer ausgeprägteren Fehlallokation des Wohnraums. Immer mehr Menschen wohnen nicht, wo und wie sie es am besten fänden.

Aber die ganz grossen Verlierer sind die Wohnungssuchenden. Entweder, weil sie durch die regulatorisch bedingte künstliche Knappheit sehr hohe Mieten bezahlen oder erst gar keine passende Wohnung finden. Es sind die Jungen, wachsende Familien, die wegen Kindern eine grössere Wohnung brauchen, und jene, die zum Beispiel durch Jobwechsel, Trennung oder Zuwanderung auf Wohnungssuche sind. Das Anliegen, ärmeren Haushalten passenden und erschwinglichen Wohnraum zu ermöglichen, wird dadurch nicht erreicht, im Gegenteil.

Bessere Lösungen

Die Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands setzt nicht nur an den falschen Hebeln an, sondern würde die in vielen Städten schon praktizierte und verfehlte Regulierung auf die ganze Schweiz ausdehnen. Es gilt vielmehr, das Angebot nicht unnötig zu behindern und die Nachfrage nicht staatlich zu befeuern. Vielversprechender wäre es daher, über Erleichterungen bei der Mietpreisregulierung, den Bauvorschriften und der Raumplanung nachzudenken, damit sich Angebot und Nachfrage wieder einfacher finden. Dies könnte die Wohnungsknappheit entschärfen, die Mietpreisdynamik dämpfen, und die Ungleichheit zwischen Bestands- und Neumietern reduzieren. Berechtigte sozialpolitische Anliegen könnten zudem viel einfacher, effizienter und zielgerichteter durch spezifische Transfers an Bedürftige angegangen werden.

Auf den ersten Blick fragt man sich, warum der Mieterinnen- und Mieterverband derartige Regulierung propagiert. Mangelnde Evidenz über die Konsequenzen solcher Regulierung kann es kaum sein. Auf den zweiten Blick könnte man meinen, dass sich der Verband den vermeintlichen Interessen der Bestandsmieter verschrieben hat – alles auf dem Buckel der Jungen, Familien, Mobilen, Arbeitstätigen und Immigranten: der Neumieter eben.

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