Profil

Am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte wird eine „fundamentaltheologisch“ geprägte Kirchengeschichte vertreten, die die Geschichte im Allgemeinen und die der Kirche im Besonderen als locus theologicus betrachtet.

Es geht dabei nicht um eine moralische Be- oder Verurteilung der Vergangenheit, sondern um die Bemühung um das Erklären des historischen Gangs der Kirche durch die Geschichte, einschliesslich der Fehlentwicklungen, damit wir im Sinne eines Historia magistra ecclesiae daraus lernen können.

Das Bewusstsein, dass die Kirche sich der inneren wie der äusseren Kirchenkritik stellen muss und die Fehlentwicklungen in Geschichte und Gegenwart kritisch durchleuchten sollte, ist in der jüngsten Vergangenheit gewachsen (vgl. Gaudium et spes 43 und 44).

 

Die Hauptaufgaben einer solchen Kirchengeschichte können - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - folgendermaßen skizziert werden:

  • Kritische Durchleuchtung des Überlieferungsprozesses mit konstruktiver Kirchenkritik

Es geht dabei nicht nur um die Durchleuchtung des Überlieferungsprozesses im binnenkirchlichen Raum einschliesslich der unterlegenen Minoritäten oder heterodoxen Tendenzen, sondern auch um die Auseinandersetzung mit den anderen Weltanschauungen und Religionen.

  • Prospektive Beschäftigung mit der Vergangenheit als memoria innovans

Der hier gemeinten Kirchengeschichte geht es um eine Art memoria innovans, die den Weg in die Vergangenheit zurückgeht, um „vorwärts in eine neue Zukunft der Theologie und der Verkündigung zu kommen“ (Karl Rahner)

  • Weltkirchliche und ökumenische Weite

Die globale Ausbreitung des Christentums müsste zum kirchenhistorischen Lehrcurriculum an den theologischen Fakultäten gehören, und es wäre gut, wenn die Erforschung derselben sich im deutschen Sprachraum einer größeren Aufmerksamkeit erfreute.

Ebenso geboten ist heute eine Kirchengeschichte in ökumenischer Weite, die jeden kontroverstheologischen Affekt hinter sich lässt, von der gemeinsamen Sorge um die Zukunft des Christentums in der heutigen Welt getragen ist und sich um die Ehrenrettung der Wahrheit und der Verdienste der anderen Konfessionen bemüht.

  • Konzentration auf besonders relevante Themen

 

Einige Forschungsdesiderate

  • Inkulturationsfrage
  • Verdienste, Grenzen und heutige Nachwirkungen des Klerikalisierungsprozesses im 11., 12. und 13. Jahrhundert
  • Fehlentwicklungen aller Kirchen im Schatten der Kirchenspaltungen
  • Fehlentwicklung in Feldern, die heute noch nachwirken, wie etwa die Frage der religiös motivierten Gewalt und des Antijudaismus oder die Verquickung von Christentum und Kolonialismus
  • Aufmerksamkeit für Reichtum der Tradition - einschließlich der vergessenen, verdrängten oder abgebrochenen Traditionen

Vgl. Näheres dazu u.a. in: Mariano Delgado, Auf dem Weg zu einer fundamentaltheologischen Kirchengeschichte. In: Andreas R. Batlogg, Mariano Delgado, Roman A. Siebenrock (Hg.), Was den Glauben in Bewegung bringt. Fundamentaltheologie in der Spur Jesu Christi. Festschrift für Karl H. Neufeld SJ. Freiburg 2004, 338-350.