05.02.2013

So wurde vor 500 Jahren Geschichte geschrieben


Das Projekt e-codices hat drei für die Schweizer Geschichtsschreibung aussergewöhnliche Handschriften digital zugänglich gemacht. In den Berner Chroniken von Diebold Schilling und jener von Werner Schodoler offenbaren sich dem Leser kunstvoll inszenierte Zeugnisse vergangener Epochen.


Die Belagerung von Solothurn, 1318.
Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.I.1, S. 75 – Diebold Schilling, Amtliche Berner Chronik, Bd. 1 (http://www.e-codices.unifr.ch/de/bbb/Mss-hh-I0001/75)


Die an der Universität Freiburg angesiedelte virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz (e-codices) hat in diesem Teilprojekt die drei Bände der Chronik Werner Schodolers sowie die drei Bände der Amtlichen Berner Chronik und den Spiezer Schilling digitalisiert. Mit der Unterstützung durch die Sophie und Karl Binding Stiftung ist damit ein weiterer Markstein auf dem Weg zur vollständigen Zugänglichkeit mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Manuskripte gesetzt worden.

Die Chroniken von Diebold Schilling entstanden in den Jahren 1478−1483 und erzählen die Berner Frühgeschichte von der Stadtgründung 1191 bis zum siegreichen Ende der Burgunderkriege mit dem Tod Karls des Kühnen 1477. Die etwas später (1510 bis 1535) verfasste Chronik von Werner Schodoler ist thematisch breiter aufgestellt und handelt von der Erbauung der Städte Zürich, Luzern und Bern, von der Gründung der Eidgenossenschaft und den zahlreichen kriegerischen Konflikten mit Habsburg, den Burgunderkriegen, dem Schwabenkrieg und zuletzt von den italienischen Feldzügen.


Rückzug der Zürcher über den See nach Zürich.
Bremgarten, Stadtarchiv Bremgarten, Bücherarchiv Nr. 2, fol. 34v – Werner Schodoler, Eidgenössische Chronik, Bd. 2 (http://www.e-codices.unifr.ch/de/stab/0002/34v)


Für Regula Schmid-Keeling, Professorin am Mediävistischen Institut der Universität Freiburg, liegt die geschichtswissenschaftliche Bedeutung der Chroniken in zwei Aspekten: Zum einen würden die stilisierten Darstellungen Auskunft darüber geben, wie die Maler und ihr Publikum Ereignisse bewerteten und welche Normen sie der Politik unterlegten. Zum anderen hätten die Chroniken dank der reichen Illustrationen für die Forschung deutlich mehr Informationswert als reine Textchroniken: "Die Bilder dienen dazu, den führenden Familien Berns die vergangenen ruhmvollen Ereignisse und allfälligen auswärtigen Betrachtern der Chronik den Reichtum und die Macht der Stadt vor Augen zu führen. An den Darstellungen von Schlachten und Friedensschlüssen, Stadtbränden oder prunkvollen Festen lassen sich Details zur Lebenswelt des Spätmittelalters ablesen, welche in Texten kaum zu finden sind: zum Aussehen von Kleidern, Rüstungen und Häusern etwa, oder zur Anwesenheit von Frauen in Heeren."


Zweikampf von Otto von Grandson und Gerhart von Stefiols, 1397. Interessante Darstellung eines ritterlichen Zweikampfes.
Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.I.1, S. 278 – Diebold Schilling, Amtliche Berner Chronik, Bd. 1 (http://www.e-codices.unifr.ch/de/bbb/Mss-hh-I0001/278)


Links:

Medienseite zum Projekt
Die Chroniken in der Virtuellen Handschriftenbibliothek
Sophie und Karl Binding Stiftung

Kontakt:
Prof. Regula Schmid Keeling, Universität Freiburg, 044 910 98 90, regula.schmidkeeling@unifr.ch
lic.phil.hist., Annelies Hüssy, Burgerbibliothek Bern, 031 320 33 65, annelies.huessy@burgerbib.ch


e-codices ruft zur Mitarbeit auf
Forschende auf dem Gebiet der Handschriften sind willkommen, bis zum 28. Februar 2013 Vorschläge zur Digitalisierung von Dokumenten zu machen, die für ihre Forschungsarbeit wichtig sind und die in den Bestand der virtuellen Handschriftenbibliothek der Schweiz aufgenommen werden könnten.
Weitere Infos: http://www.e-codices.unifr.ch/en/call-for-collaboration