08.10.2012

Interaktive Datenbank treibt Forschung an antiken Amulett-Gemmen voran


Neue Wege in der Erforschung der Antike geht Véronique Dasen, Professorin für Archäologie an der Universität Freiburg. In Zusammenarbeit mit dem Museum der Bildenden Künste in Budapest und mit international anerkannten Forschern will sie antike Amulettsteine auf einer Online-Datenbank öffentlich zugänglich machen. Zum ersten Mal wird dabei Bildmaterial einer Datenbank mit einem interaktiven und erweiterbaren E-Book verbunden.




Chrysopras. Die Schlange Chnoubis mit strahlendem Kopf. Rückseite (rechts): griechische Inschrift "Chnoubis" und Symbol der Chnoubis. (© Budapest, MBA, Photo L. Mátyu)

Bis anhin mussten Altertumsforscher, die sich mit antiken Amulettsteinen, den sogenannten magischen Gemmen beschäftigten, entweder zu Museen in verschiedenen Ländern reisen oder sich die Informationen aus Publikationen zusammenkratzen. Steine in privaten Sammlungen waren zudem praktisch unzugänglich. Dies soll nun anders werden. Auf einer Internetdatenbank (The Campbell Bonner Magical Gems Database) werden Informationen und Abbildungen zu möglichst sämtlichen weltweit erhaltenen antiken Amulettsteinen an einem einzigen Ort verfügbar gemacht. Der Aufbau der Datenbank, die im Budapester Museum der Bildenden Künste in enger internationaler Zusammenarbeit entwickelt wurde, ist seit 2010 im Gange. Seit März 2012 ist die Pilotphase abgeschlossen und die Datenbank ist nun öffentlich zugänglich. Dank der Arbeit einer Freiburger Doktorandin, die vom Forschungspool der Universität Freiburg unterstützt wird, tritt diese Zusammenarbeit zwischen der Universität Freiburg und dem Budapester Museum nun in eine neue Phase.

Im Zuge der Erstellung der Datenbank wird auch das Standardwerk über solche Amulettsteine, Studies on Magical Gems von Campbell Bonner (1950) als online E-Book neu herausgegeben. Das E-Book und die Datenbank werden interaktiv verknüpft, so dass das Buch die Informationen zu den Abbildungen in der Datenbank liefert und umgekehrt die Abbildungen der Datenbank als Illustration für die digitalen Texte dienen. Das Ganze wird mit zunehmender Datenfülle stetig an Wert gewinnen. „Eine solche interaktive, erweiterbare Kombination von E-Book und Datenbank hat es in den Altertumswissenschaften bisher noch nicht gegeben“, sagt Véronique Dasen.


Hämatit. Der Vogel Phönix, mit Heiligenschein, stehend auf einer Säule, umgeben von versch. Tieren, die den Sonnengott symbolisieren. Rückseite (rechts): griechische Inschrift "pepte", ("verdaut") (© Budapest, MBA, Photo L. Mátyus)


Werkzeug zur Entzifferung antiker Symbole


Dasen ist überzeugt, dass die Datenbank ein wertvolles Werkzeug für die Erforschung antiker und post-antiker magischer Amulettsteine sein wird. Viele dieser Steine tragen Inschriften und Abbildungen, die aus geheimem, Magiern vorbehaltenem Wissen stammen. „Um die Bedeutung dieser Zeichen ermitteln zu können, müssen mehrere Steine mit ähnlichen Abbildungen verglichen werden“, erklärt Dasen. Kommt ein bestimmtes Zeichen häufig in Kombination mit der Abbildung einer bestimmten Gestalt vor, ist dies ein Hinweis auf einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Zeichen und der Gestalt. Solche Vergleiche werden nun erleichtert durch die Stichwortsuche in der Datenbank, die es beispielsweise ermöglicht, sämtliche Steine mit demselben Motiv herauszusuchen.

Einreichung als Advanced Grants Projekt geplant

Koordination und Leitung der Arbeiten an der Datenbank unterstehen Prof. Árpád M. Nagy vom Museum der Bildenden Künste in Budapest. Neben Prof. Véronique Dasen sind in der Expertenkommission der Datenbank mehrere internationale Spezialisten tätig, namentlich Prof. Erika Zwierlein-Diehl (Universität Bonn), Prof. Chris Faraone, (Universität Chicago) und Prof. Attilio Mastrocinque (Universität Verona) die gleichzeitig die Neuausgabe von Bonner’s Buch vorbereiten. Die Datenbank wird laufend erweitert. Viele Sammlungen wie zum Beispiel diejenige des British Museum in London – die weltweit grösste Kollektion solcher Amulette – sind bereits online. Neben musealen Sammlungen werden in der Datenbank auch private Sammlungen erfasst. Besitzer von antiken Amulettsteinen sind daher aufgerufen, sich mit dem Forscherteam in Budapest und Freiburg in Verbindung zu setzen. Die Arbeit an der Neuausgabe und die Digitalisierung von Bonners Standardwerk wurden im März dieses Jahres in Angriff genommen. Im Moment wird das Projekt durch die ehrenamtliche Arbeit der Beteiligten getragen. Für eine künftige Finanzierung soll die Arbeit an der Datenbank und am E-Book demnächst als Advanced Grants Projekt beim European Research Council eingereicht werden.


Link zur Datenbank: http://classics.mfab.hu/talismans

Kontakt: Prof. Véronique Dasen, Kunst und Archäologie der Antike, Universität Freiburg, 026 300 78 62, veronique.dasen@unifr.ch