31.05.2012

Fussball: Beeinflusst die Hautfarbe den Unparteiischen?


Schiedsrichterentscheide auf dem Fussballfeld hängen nicht mit der Hautfarbe der Spieler zusammen: Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Departements für Psychologie der Universität Freiburg. Die Studie konfrontierte Schiedsrichter, Spieler und Fans mit Tackling-Szenen, die nicht eindeutige Fouls zeigen und an denen Fussballer unterschiedlicher Hautfarbe beteiligt sind. Obwohl die Resultate klar eine unterschiedliche Beurteilung der Spieler zeigen, kann man nicht von explizitem Rassismus sprechen.


Foto: Thinkstock

Saison 2006, FC Barcelona. Sobald Barças Stürmer Samuel Eto’o auch nur den Ball berührt, hagelt es rassistische Beleidigungen und Gegenstände aus dem Publikum. Entgegen seinem Entschluss, das Feld zu verlassen, beendet Eto’o, ermutigt von seinen Mitspielern, den Match – beim Verlassen des Spielfelds zeigt er dem Publikum das Victory-Zeichen. Kein Rassismus-Problem im Fussball, also?

Pascal Wagner-Egger und Pascal Gygax, beides Lektoren am Departement für Psychologie sowie Farfalla Ribordy, Diplomassistentin am Departement für Medizin, konnten in ihrer gemeinsam durchgeführten Forschungsarbeit zeigen, dass die gezeigten, nicht eindeutigen Foulspiele von Spielern schwarzer und weisser Hautfarbe von den Testpersonen zwar unterschiedlich beurteilt werden, dabei aber nicht von offenem Rassismus gesprochen werden kann. Ein klar rassistisches Verhalten einer bestimmten Spielerkategorie gegenüber scheint demnach eher eine Reaktion der Masse zu sein als ein individuelles Verhalten.

Was steckt dahinter?

Die Forschungsarbeit umfasste ein Panel, bestehend aus 82 Teilnehmenden, welchen eine Serie von insgesamt 64 Fall-Sequenzen gezeigt wurde. Jede Sequenz zeigte Spieler verschiedener Hautfarbe in realistischen und gleichzeitig nicht gänzlich eindeutigen Spielsituationen. Die Spielsequenzen wurden mit Hilfe eines Videokonsolen-Spiels angefertigt. Den Studienteilnehmenden wurde gesagt, es gehe darum herauszufinden, wie Tackling im Fussball wahrgenommen wird. In einem ersten Test mussten sie in schneller Abfolge beurteilen, ob überhaupt ein Foul vorliegt. Ein weiterer Test verlangte, dass sie die Schwere des Fouls auf einer Skala von 1 bis 4 beurteilen.

Im Beurteilen der ersten Testsituationen hat sich gezeigt, dass die Urteilenden am ehesten ein Foul anzeigen, wenn zwei Spieler derselben Hautfarbe beteiligt sind. „Wir haben dies als Vorsichtsmassnahme interpretiert: Die Teilnehmenden sind weniger schnell zum „Pfiff“ bereit, wenn zwei Ethnien am Tackling beteiligt sind und daraus ein Konflikt entstehen könnte“, erklärt Pascal Wagner-Egger. Ein weiteres Resultat zeigt, dass schneller gepfiffen wird, wenn der Angreifer schwarzer Hautfarbe ist, dies vor allem, wenn der attackierte Gegenspieler einer weissen Ethnie angehört. „Dies könnte als eine Unterscheidung interpretiert werden, welche die schwarzen Spieler benachteiligt“, so der Forschende. „Das Resultat wird aber relativiert durch eine dritte Evidenz, die belegt, dass ein von einem weissen Spieler begangenes Foul als am schlimmsten bewertet wird.“ Gemäss Pascal Gygax sind gerade diese nuancierten Testresultate äusserst schwierig zu interpretieren: Geht es hier um Antirassismus, um politisch korrektes Verhalten oder um eine Form der Kompensation?

Die Forschungsresultate wurden dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) unterbreitet und könnten diesem als Basis für Coaching-Sitzungen dienen. Die Studie wurde von der Schweizerischen Sportkommission finanziert. Aktuell suchen die Forschenden nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten, um die erhaltenen Resultate ergänzen und bestimmte Faktoren, wie beispielsweise die Reaktion des Publikums, genauer untersuchen zu können. Ziel ist es, Mittel und Wege zu finden, um die festgestellten Unterscheidungen auf dem Spielplatz zu unterbinden.

Gesamte Studie (PDF):
http://www.unifr.ch/psycho/site/assets/files/lingsoc/preprints/Wagner_etal_preprint.pdf

Kontakt: Pascal Wagner-Egger, Lektor am Departement für Psychologie, 026 300 76 25, pascal.wagner@unifr.ch