Umwelt24.06.2020

Wissenschaft warnt vor Schäden durch gebietsfremde invasive Arten


In einer eben erschienenen internationalen Studie warnen Wissenschaftler_innen, darunter auch Sven Bacher der Universität Freiburg, vor der zunehmenden Bedrohung durch gebietsfremde invasive Arten. Sofortiges Handeln sei nötig, um die Eindringlinge aufzuspüren, zu stoppen und zu kontrollieren.

Gebietsfremde Arten sind Pflanzen, Tiere oder auch Mikroben, die absichtlich oder versehentlich durch den Menschen in Gebiete gebracht wurden, wo sie natürlicherweise nicht vorkommen. Viele davon gedeihen prächtig in der fremden Umgebung und vermehren sich auch entsprechend, was zu schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die menschliche Gesundheit führt.

Grund zur Sorge
Die soeben in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Biological Reviews» veröffentlichte Studie ist das Resultat einer Zusammenarbeit von Wissenschaftler_innen aus 13 Ländern quer durch Afrika, Asien, Australasien, Europa sowie Nord- und Südamerika. Die Expert_innen stellen darin fest, dass die Anzahl an invasiven gebietsfremden Arten in besorgniserregendem Ausmass zunimmt. Rund um den Globus sind aktuell bereits mehr als 18'000 solcher Arten erfasst.

Das Forschungsteam schreibt die rasante Zunahme biologischer Invasionen der ebenfalls steigenden Anzahl und immer breiteren Palette an möglichen Wegen zu, über welche die fremden Arten sich verbreiten können, sowie dem damit verbundenen globalen Verkehr. Sie unterstreichen auch die Rolle neuer möglicher Wege, wie etwa dem Online-Handel mit exotischen Tieren oder dem Überqueren von Ozeanen auf kleinen «Flossen» aus Plastikmüll.

Die Rolle des Klimawandels 
Die Studie zeigt aber auch, wie andere Motoren der globalen Veränderungen, wie etwa der Klimawandel, Landnutzungsänderungen oder auch der internationale Handel den massiven Anstieg invasiver Arten in fremden Gebieten begünstigen. Arten, die beispielsweise auf Schiffen in neue Regionen gelangten, so die Wissenschafter_innen, können sich dank Klimawandel in der neuen Heimat heute problemloser vermehren. Auch ermöglicht die durch die globale Erwärmung bedingte durchgehende Öffnung des Nordpolarmeers für die Schifffahrt den Transport von Meeresbewohnern zwischen dem Atlantischen und dem Pazifischen Ozean.

Als Teil der Initiative «World scientists’ warning to humanity: a second notice*» ruft die Studie zu einer dringenden Änderung des menschlichen Verhaltens in Bezug auf den Umgang mit der Erde und den Lebewesen auf. Die Autor_innen betonen, dass biologische Invasionen durchaus kontrolliert und auch gemildert werden können. Sie verweisen auf entsprechende Ansätze, die rund um den Globus funktionieren und machen spezifische Empfehlungen für eine bessere Kontrolle. So habe etwa die Einführung strengerer Grenzkontrollen, inklusive Röntgenmaschinen und Spürhunden, in Neuseeland zu einer kontinuierlichen Abnahme an Pflanzenpathogenen geführt.

Professor Sven Bacher der Universität Freiburg und einer der Koautoren der Studie betont: «Je mehr wir über invasive gebietsfremde Arten und deren Verhalten wissen, umso besser verstehen wir auch die damit verbundenen Probleme. Die Bedrohungen durch diese invasiven Arten sind ernst zu nehmen. Es liegt an uns, an der Politik und der Bevölkerung, die Eindämmung und Kontrolle dieser biologischen Invasion zu einer Priorität zu machen.»
 



* World scientists’ warning to humanity

1992 tat sich eine Gruppe bedeutender Wissenschafter_innen aus der ganzen Welt zusammen und machte in einem Schreiben darauf aufmerksam, dass die Menschheit auf Kollisionskurs sei mit dem Rest der Natur (Union of Concerned Scientists, 1992). 25 Jahre später publizierten Ripple et al. (2017) eine Analyse des menschlichen Verhaltens und kamen in dieser zweiten Warnung («second warning») zum Schluss, dass die Menschheit es nicht geschafft hat, die nötigen Fortschritte zu machen im Umgang mit den umwelt-technischen Herausforderungen. Ganz im Gegenteil: Die Forschenden kamen zum Schluss, dass sich die meisten der Probleme verschlimmert haben.

Der erste Aufruf 1992 wurde von 1700 Wissenschaftler_innen unterstützt. 2017 unterzeichneten über 15'000 Expert_innen die Deklaration. 
 



Beispiele von Schaden anrichtenden invasiven gebietsfremden Arten

Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes): Die aus Südafrika stammende Wasserhyazinthe konnte sich aufgrund ihres dekorativen Aussehens rund um den Globus ausbreiten. Sie richtet allerdings grosse Schäden an, insbesondere in der Fischerei und Wasserversorgung. In Ostafrika etwa zerstörte das Auftauchen der Wasserhyazinthe Fischgründe im Viktoriasee.

Tigermücke (Aedes albopictus): Die Asiatische Tigermücke, die über den internationalen Reifenhandel verbreitet wurde, überträgt verschiedene Krankheiten, darunter das West-Nil-Virus oder auch das Dengue-Fieber.

Gestreifter Korallenwels (Plotosus lineatus): Der giftige gestreifte Korallenwels ist im Indischen und Pazifischen Ozean daheim. Über den Suez-Kanal erreichte der Wels das Mittelmeer, wo er mit seinen Stacheln Fischer verletzen kann.

Aga-Kröte (Rhinella marina): Aga-Kröten wurden in vielen Ländern zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingeführt, stellten sich aber schliesslich selbst als Schädlinge heraus. Die Kröten konkurrieren mit heimischen Amphibienarten um Nahrungsquellen und führen wegen ihrer toxischen Sekrete zu Krankheit und Tod unter den heimischen Tieren.

Kanadagans (Branta canadensis): Kanadagänse sind heute in Europa weit verbreitet und stellen eine ernst zu nehmende Gefahr für die heimische Biodiversität dar. Sie verursachen auch wirtschaftliche Schäden in der Landwirtschaft und können zu Problemen in der Luftfahrt führen, wenn sie mit Flugzeugen kollidieren.