Invasive Tier- und Pflanzenarten22.04.2020

Ein Käfer gegen Allergien


Kaum eine andere Pflanze wirkt so allergen wie Ambrosia. Nun gibt es aber Hoffnung – dank eines eingewanderten Käfers. Eine Studie unter Beteiligung der Universität Freiburg zeigt, dass der natürliche Feind in Europa mehr als zwei Millionen Allergikerinnen und Allergiker von ihren Symptomen entlasten kann.

Ophraella communa mit den auffälligen Längsstreifen auf den Deckflügeln hat eigentlich nichts in der Schweiz verloren. Ursprünglich in Nordamerika heimisch, dürfte der Käfer ums Jahr 2013 als blinder Passagier im Flughafen Milano Malpensa gelandet sein. Von hier aus begann er sich in Norditalien und in der Südschweiz zu verbreiten.

Solche Eindringlinge – eine Nebenwirkung der Globalisierung – sind üblicherweise nicht willkommen, stellen sie doch für die einheimische Fauna und Flora oft eine Bedrohung dar. Doch in diesem Falle ist das anders. Der Ambrosia-Blattkäfer ernährt sich hauptsächlich von einer Pflanze, die hierzulande ursprünglich ebenfalls nicht heimisch war, und die als besonders gefährliches Unkraut gilt. Ihr Name: Aufrechtes Traubenkraut oder Ambrosia. Der hoch allergene Pollen macht Ambrosia zu einem der Hauptauslöser für Heuschnupfen und juckende Augen; zudem kann die Pflanze zu Krankheiten wie Ekzema oder allergisches Asthma führen.

Pollenproduktion drastisch reduziert
Wie sich der nur vier Millimeter grosse Käfer auf die Verbreitung von Ambrosia auswirkt und welche Konsequenzen sich daraus auf die Gesundheitskosten ganz Europas ergeben, hat nun ein interdisziplinäres Forscherteam untersucht. Die Leitung der Studie lag beim Centre for Agriculture and Bioscience International (CABI); massgeblich mitbeteiligt war auch die Universität Freiburg. Die Ergebnisse wurden soeben in der Zeitschrift Nature Communications publiziert.

Die Studie kommt zu Aufsehen erregenden Ergebnissen: Litten vor dem erstmaligen Auftreten des Blattkäfers in Europa etwa 13,5 Millionen Menschen an Ambrosia-induzierten Allergien, wird sich die Situation nun dank dem Ambrosia-Blattkäfer ändern. Feldstudien in Italien haben bewiesen, dass der Blattkäfer der Pflanze so starke Frassschäden zuzufügen vermag, dass die Pollenproduktion um 80 Prozent, in einigen Fällen sogar um 100 Prozent zurückgeht. Bezogen auf das potentielle Verbreitungsgebiet des Käfers könne «Ophraella communa mehr als zwei Millionen Allergikerinnen und Allergiker von ihren Beschwerden entlasten,» sagt Studienleiter Urs Schaffner vom CABI.

7,4 Milliarden Euro pro Jahr
Im Rahmen der Studie wurde auch berechnet, welche Folgen die zunehmende Verbreitung von Ambrosia auf die Gesundheitskosten hat – mit und ohne Einwirkung des Käfers. Geleitet und initiiert wurde dieser Bereich von Heinz Müller-Schärer, Professor für Ökologie und Evolution an der Universität Freiburg. Müller-Schärer: «Wir konnten zeigen, dass die ökonomischen Folgen von Ambrosia bislang stark unterschätzt wurden.» Die invasive Pflanze verursache europaweit enorme wirtschaftliche Kosten, nämlich rund 7,4 Milliarden Euro jährlich. Dank Ophraella werde sich das aber ändern: «Unsere Berechnungen zeigen, dass die Kosten pro Jahr um 1,1 Milliarden Euro zurückgehen dürften.» Je schneller sich der Käfer verbreite, umso grösser die Auswirkungen.

Die Bevölkerung informieren
Müller-Schärer bewertet die Anwesenheit des Käfers entsprechend positiv: «Zu Beginn waren wir nicht sicher, ob die fremde Art nützt oder schadet.» Laboruntersuchungen hatten gezeigt, dass der Käfer möglicherweise Sonnenblumen schädigt. Freiluft-Untersuchungen in China und in Europa konnten diesen Befund aber nicht bestätigen.

Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen fordert Studienleiter Urs Schaffner, «dass Politik und Behörden über die Auswirkungen invasiver Arten auf die menschliche Gesundheit künftig genauer informiert werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass angemessene Ressourcen investiert und die Massnahmen gegen invasive Arten koordiniert und umgesetzt werden.»

Weitere Informationen
Webseite des Projekts und http://internationalragweedsociety.org/smarter/
Paper auf nature.com, DOI: 10.1038/s41467-020-15586-1​
Studie über Ophraella im Tessin
Blog-Artikel auf CABI.org
Artikel auf universitas
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