Psychologie19.07.2018

Essstörungen an der Wurzel packen


Gertenschlanke oder perfekt durchtrainierte Models sind omnipräsent. Diese ständige Berieselung mit Schönheit führt bei Frauen – und auch bei vielen Männern – zu Frustration. Und Frustration kann in einer Essstörung münden. Eine neue Studie der Universität Freiburg zeigt: Ob es soweit kommt, hängt davon ab, wie jemand mit seinen Emotionen klarkommt. 

Wenn die Emotionen aus dem Ruder laufen, kommt vielfach das Essen ins Spiel. Sei dies durch strikte Kontrolle der Nahrungsmittel, durch fast vollständigen Verzicht darauf oder auch durch unkontrollierte und übermässige Nahrungsaufnahme. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Departements für Psychologie und Psychotherapie der Universität Freiburg unter der Leitung von Prof. Simone Munsch. 

100 Prozent unzufrieden
Sozusagen als Test zur Emotionskontrolle bei Medienexposition wurden die Teilnehmerinnen der Studie gebeten, fünf Minuten lang in einem Magazin zu blättern, in welchem vermeintlich perfekte Models zu sehen sind. Von den Teilnehmerinnen waren die Hälfte gesunde Frauen, die andere Hälfte Frauen mit Anorexie, Bulimie oder anderen psychischen Störungen. Das Resultat: Ausnahmslos alle Frauen haben mit Verstimmung, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und dem Vorsatz, die eigene Ernährung besser zu kontrollieren, reagiert. Ausschlaggebend dafür, ob jemand eine Essstörung entwickelt, ist also nicht dessen Reaktion auf Bilder mit «schönen» Körpern und auch nicht in erster Linie die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, sondern der generelle Umgang mit negativen Emotionen, wie sie bei der Betrachtung solcher Bilder hochkommen. 

Umgang mit Frust ist entscheidend
Die Tatsache, dass auch gesunde Frauen mit Frustration reagiert haben, zeigt gemäss Prof. Simone Munsch, dass eine Therapie für Betroffene mit Essstörungen oder Prävention bei der Emotionsregulation ansetzen muss. «Bei allen Essstörungen ist Essen ein Mittel zur Emotions- oder Stressregulation. Frauen, die ihre Emotionen trotz Frustration wieder in den Griff kriegen, sind weniger gefährdet, psychisch krank zu werden oder eine Essstörung zu entwickeln.» Personen, die Mühe haben ihre Emotionen zu regulieren, verfügen häufig über ein schlechtes Selbstwertgefühl und haben Probleme damit, ihre Identität zu finden. Gerade bei Jugendlichen zeige sich dies sehr deutlich, so Simone Munsch, etwa wenn sich ein Mädchen oder ein Knabe immer wieder ausgeschlossen oder zurückgestossen fühlt, obwohl dies gar nicht der Realität entspricht. 

Einfluss auf Therapieprogramm für Jugendliche
Die Resultate dieser Studie sollen nun auch verwendet werden im Therapieprogramm BEAT (Binge-Eating Adolescent Treatment), das kürzlich angelaufen ist und die Behandlung von Jugendlichen mit regelmässigen Essanfällen oder einer Binge-Eating-Störung umfasst. Es ist das erste Therapieprogramm dieser Art für Jugendliche und das erste, dessen primärer Fokus nicht auf der Behandlung der Symptome liegt, also der Reduktion der Essanfälle, sondern auf dem Umgang mit negativen Emotionen. 

Link zur Studie (Englisch)

Kontakt Therapieprogramm BEAT: BEAT@unifr.ch

Zentrum für Psychotherapie