Biophysik13.12.2017

Der Zitteraal inspiriert unsere Forschenden


Das Adolphe Merkle Institut der Universität Freiburg hat in Zusammenarbeit mit der University of Michigan und der University of San Diego, Kalifornien, eine neuartige Energiequelle entwickelt. Als Grundlage für diese Entwicklung diente das Beispiel des Zitteraals. Das Team veröffentlichte eine neue Studie in der Fachzeitschrift Nature, laut welcher der Einsatz von selbstaufladenden Batterien für biologische Anwendungen wie Herzschrittmacher oder Prothesen bald Realität werden könnte.

Der Zitteraal diente den Forscherteams des Adolphe Merkle Instituts (AMI), der University of Michigan und der University of San Diego als Inspiration und Herausforderung zugleich: Ihr Ziel ist die Entwicklung von selbstaufladenden Stromquellen, die sich in den menschlichen Körper implantieren lassen und somit für Geräte wie Herzschrittmacher, Sensoren, Prothesen oder Medikamentenpumpen verwendet werden können. Die Integration von Technologien in den lebenden Organismus ruft tatsächlich nach einer biokompatiblen und flexiblen Energiequelle, die sich innerhalb des biologischen Systems selbst aufzuladen vermag. Eine solche Stromquelle würde Ersatzoperationen überflüssig machen und könnte auch zur Versorgung von tragbaren Geräten wie Kontaktlinsen mit integriertem Display eingesetzt werden.

Ionenstrom
Das Elektrizitätsorgan des Zitteraals besteht aus langen feinen Zellen, den Elektrozyten, die in Reihen angeordnet rund 80% der Länge des Tierkörpers abdecken. Jeder Elektrozyt wird vom Nervensystem des Zitteraals kontrolliert und erzeugt eine schwache Spannung, indem er Natriumionen in die Zelle und Kaliumionen aus der Zelle strömen lässt. Je höher die Zahl der in Reihen angeordneten Zellen, umso höher die elektrische Spannung. So kann der Zitteraal bis zu 600 Volt erzeugen. Das Forscherteam unter der Leitung von Michael Mayer, Professor für Biophysik am AMI, hat eine Energiequelle konzipiert, die auf dem gleichen Prinzip aufbaut. Diese erzeugt Strom, indem sie sich den unterschiedlichen Salzgehalt von Süss- und Salzwasserkammern, die durch ionenselektive Membranen getrennt sind, zu Nutze macht. Werden diese Kammern und Membranen in hundertfachen Wiederholungssequenzen – ein bisschen wie die Batterien in einer Taschenlampe – angeordnet, lässt sich allein mit Salz und Wasser eine Spannung von bis zu 110 Volt erzeugen.

Elektrisches Origami
Jeder Bestandteil dieser Energiequelle wird anhand eines Hydrogels hergestellt. Dabei handelt es sich um eine fest erscheinende Polymerkapsel, die Wasser enthält und für Salzionen durchlässig ist. Die Bestandteile können mittels eines 3D-Druckers auf transparenten Plastikfolien zusammengesetzt werden. Wie beim Zitteraal besteht die Energiequelle also aus individuellen Kammern geringer Kapazität. Beim Zitteraal löst das Nervensystem den stromerzeugenden Prozess aus. Die Wissenschaftler lösen diese Aufgabe effizienter, indem sie alle gedruckten Zellen gleichzeitig miteinander in Kontakt bringen. Dazu wird die gedruckte Folie mittels einer Technik gefaltet, die ursprünglich für die Stationierung von Solarmodulen im All entwickelt wurde.

Bis anhin sind die Kapazitäten des Zitteraals allerdings noch unerreicht. Gemäss Michael Mayer besteht die Hauptherausforderung darin, die Stoffwechselenergie des Körpers zu nutzen, sei es durch Mobilisierung der Ionendifferenzen in verschiedenen Körperregionen (z.B. Magensaft), sei es durch Umwandlung mechanischer Muskelenergie in elektrische Energie. Diese könnte in der Folge gespeichert und mittels eines künstlichen elektrischen Organs verteilt werden.

Artikel: Schroeder, TBH et al., An electric-eel-inspired soft power source from stacked hydrogels, Nature; 14th December 2017