Physik12.07.2016

Ein beinahe magischer Blick ins Gehirn


Synapsen und ihre molekularbiologischen Details sind eigentlich zu klein für eine Untersuchung mit dem Lichtmikroskop. Forschende der Uni Freiburg haben nun aber eine Methode angewendet, dank der man trotzdem einzelne Proteine bei den Verbindungen der Nervenzellen „sehen“ kann. Das eröffnet neue Möglichkeiten bei der Untersuchung von Lern- und Erinnerungsvorgängen.


Frappanter Unterschied zwischen den Aufnahmen A.1 bis D.1 mit dem herkömmlichen Lichtmikroskop und den Bildern A.2. bis D.2. mit dem hochauflösenden Mikroskop. Die Super Resolution Microscopy zeigt feinste Details der Synapsen im Gehirn einer Drosophila-Fliege und ermöglich Studien auf molekularer Ebene.

Man würde ja nur allzu gerne mal einen Blick in eine menschliche Zelle werfen, in die unendlich komplexe und verschachtelte Maschinerie, die den Körper am Laufen hält. Hinunterzoomen bis auf molekulare Ebene, um zu sehen, wie Proteine und andere Zellbestandteile ihre Arbeit tun. Aber auch mit Hilfe der tollsten Vergrösserungen ist es leider nicht möglich, die biochemischen Akteure in den Blick zu nehmen, aus grundlegenden physikalischen Gründen – die Moleküle sind schlicht zu klein. Was man mit einem Mikroskop beobachten will, muss grösser sein als die Wellenlänge des Lichts: dieses Dogma schien in Stein gemeisselt, wie etwa die Lichtgeschwindigkeit als kosmisches Tempolimit.

Die Glanzidee
Forschenden der Universität Freiburg ist es nun dennoch gelungen, feinste Protein-Details in Synapsen von Drosophila-Fliegen sichtbar zu machen. Sind sie physikalische Magier? Weit gefehlt: Sie bedienen sich einer Technologie, die vor zwei Jahren sogar mit dem Nobelpreis geadelt worden ist, und passten sie so an, dass sie damit eine wichtige molekulare Schaltstelle des Gehirns beobachten konnten. Wie man seit einigen Jahren weiss, kann mit der sogenannten Super resolution microscopy die magische Auflösungsgrenze tatsächlich umgangen werden, indem einzelne Moleküle, die eigentlich zu nah beieinanderliegen würden, abwechselnd zum Leuchten gebracht werden. „Mit genetischen Werkzeugen haben wir dafür gesorgt, dass nur eine ganz kleine Anzahl von Neuronen die leuchtenden Synapsen-Proteine besitzen“, erklärt Isabelle Spühler, die Hauptautorin der Studie. So sieht man plötzlich Details statt eines unscharfen Flecks.

Spühler, die sowohl in der Gruppe von Prof. Frank Scheffold (Departement für Physik) wie auch in der von Prof. Simon Sprecher (Departement für Biologie) forscht, und ihre Kollegen haben diese Idee nun auch direkt im Hirngewebe von Drosophila-Fliegen erfolgreich angewandt. Damit ist es der Forscherin und den zwei Forschern gelungen, eine ähnlich gute Auflösung wie bei der Analyse von Zellbestandteilen mit Elektronenmikroskopie zu erreichen. „Unsere Methode schlägt gewissermassen die Brücke zwischen Elektronen- und Lichtmikroskopie“, sagt Isabelle Spühler. Für ein fertiges Bild werden bis zu 60'000 Einzelbilder gesammelt und dann im Computer ausgewertet. Dank dem Leucht-Trick können nun kleinste molekulare Zelldetails im Gehirn sehr lebensnah beobachtet werden, zum Beispiel um die Konzentration von wichtigen Proteinen in den Synapsen zu bestimmen. Das eröffnet interessante Möglichkeiten auch für biologisch-medizinische Fragestellungen, zum Beispiel um Veränderungen in Synapsen beim Lernen oder bei der „Speicherung“ von Erinnerungen zu untersuchen.