16.10.2013

Krebs: Dank umprogrammierten Zellen neuen Behandlungsmethoden auf der Spur


Bei bestimmten Virusinfektionen verlassen die Antikörperbildenden B-Lymphozyten ausnahmslos den Darm, wo sie sich normalerweise ansammeln. Diese erstaunliche Entdeckung der Forschungsgruppe Pharmakologie, unter der Leitung von Prof. Carole Bourquin, an der Universität Freiburg, ermöglicht einen interessanten Ansatz zur Schaffung einer neuen Zelltherapie gegen Darmkrebs.


Eine Virusinfektion (z.B. eine Grippe) erstellt über die Ausschüttung von Interferon für die Immunzellen eine Wand. 2. Die B-Lymphozyten können nicht mehr in das Verdauungssystem eintreten und werden dorthin umgeleitet, wo sie gebraucht werden (z.B. in die Lungen).

Die Peyer-Plaques sind eine Art Schwämme, die in der Regel mit B-Lymphozyten vollgefüllt sind. Sie befinden sich auf der Darmoberfläche und sind mit deren Verteidigung beauftragt. Bei bestimmten Virusinfektionen verschwinden diese hochorganisierten Strukturen jedoch schlicht und einfach. Das Forschungsteam der Pharmakologie um Prof. Carole Bourquin am Departement für Medizin an der Universität Freiburg machte diese Entdeckung im Verlauf eines Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Wissenschaftler wollten den molekularen Mechanismen hinter dem plötzlichen Verschwinden auf die Spur kommen. Sie stellten dabei fest, dass sich dieses Verschwinden nicht auf den Virus selbst zurückführen lässt, sondern dass Interferon für diese Reaktion verantwortlich ist. Das Interferon ist ein Molekül, welches in grossen Mengen vom Körper zur Verteidigung gegen Virusinfektionen produziert wird. Zu Beginn der Infektion blockiert das Interferon die Ausbildung eines Moleküls, das sich normalerweise auf der Oberfläche der Lymphozyten befindet und in gewisser Weise als Schlüssel dient, um sich Eintritt in die Peyer-Plaques zu verschaffen. Ohne dieses Molekül müssen die B-Lymphozyten also draussen bleiben und verbreiten sich stattdessen überall dort, wo ihre Hilfe gebraucht wird. Sobald die Infektion zurückgeht, sinkt die Menge an Interferon und die Lymphozyten können erneut das erforderliche Molekül für den Eintritt in die Peyer-Plaques bilden.

Breite Behandlungspalette

Dieser Mechanismus könnte für die Behandlung sehr unterschiedlicher Erkrankungen nützlich sein. Etwa bei chronischen Infektionen: Personen mit Hepatitis C weisen eine konstante und zu hohe Interferonproduktion auf. Das wiederum könnte dieses Verschwinden der Peyer-Plaques induzieren und damit Schwachstellen im Immunsystem und vor allem im Verdauungssystem verursachen. Das Interferon wird bei Langzeitbehandlungen bestimmter Arten von Krebs, Multipler Sklerose und bestimmten Arten von Hepatitis eingesetzt und könnte dort Probleme im Magen-Darm-Trakt auslösen. «Unser Forschungsfeld, welches sich im Kampf gegen den Darmkrebs insbesondere auf die Mobilisierung des Immunsystems konzentriert, könnte ebenfalls von dieser Entdeckung profitieren. Die Blockierung dieser Mechanismen sollte den Lymphozyten einen verstärkten Zugang in den Darm ermöglichen», erläutert Carole Bourquin. Die Idee ist es, die Lymphozyten «umzuprogrammieren», um sie in den Verdauungstrakt zu lenken. «Indem man beim Patienten Zellen entnimmt und diese im Labor bearbeitet, ermöglicht man es den Zellen mehr Schlüsselmoleküle zu bilden und die Zellen gar unempfindlich gegen den Einfluss von Interferon zu machen. Auf experimenteller Ebene existiert die Zelltherapie bereits, vor allem in den USA, wo die erste Behandlung im Jahr 2010 genehmigt wurde. Die meisten Forschenden arbeiten an der Herstellung von Lymphozyten, die den Krebs erkennen und sehr aktiv sind. Die Zellmigration ist der besondere Schwerpunkt unseres Freiburger Labors», erklärt die Professorin für Pharmakologie.

Kontakt: Carole Bourquin, Lehrstuhl für Pharmakologie, 026 300 94 10, carole.bourquin@unifr.ch

Publikation: http://bloodjournal.hematologylibrary.org/content/122/15.cover-expansion