Hilarius von Poitiers († 367) - Zwölf Bücher über die Dreieinigkeit (De Trinitate) Elftes Buch
6. Die Unterscheidung zwischen Gottheit und Menschheit löst die Einwände. Wie wir aber in den vorhergehenden Büchern gezeigt haben, machen sie die Fügung der Leibesannahme gierig [S. 235] sich zunutze, um die Gottheit zu schmähen, und die Begründungen zu ihrer Falschgläubigkeit greifen sie auf aus dem Geheimnis unseres Heiles. Wenn sie am Glauben des Apostels streng festhielten, dann würden sie erkennen, daß derjenige die Gestalt des Knechtes angenommen habe, der in der Gestalt Gottes war.1 Sie würden auch nicht die Gestalt des Knechtes dazu mißbrauchen, die Gestalt Gottes zu entehren, da doch die Gestalt Gottes in sich die Fülle Gottes2 umschließt. Und was der Zeit angehört und Geheimnis ist, würden sie rechtgläubig sinngemäß darlegen, um weder die Gottheit Schmähung hinnehmen, noch die Fügung (der Menschwerdung) einen Irrtum veranlassen zu machen. Nachdem aber von uns alles ganz unwiderleglich, wie ich glaube, dargetan und die Geburt des angenommenen Leibes als aus der Kraft des göttlichen Wesens geschehen aufgewiesen wurde, so bleibt kein Raum für Zweifel darüber, daß der eingeborene Gott und Mensch alles durch die Kraft Gottes gewirkt und durch die Kraft Gottes alles in der wahren Wirklichkeit eines Menschen vollzogen habe. Besitzt er doch in sich einerseits in seinen Taten das Wesen des mächtigen Gottes, sofern er aus Gott geboren ist, und anderseits die Vollständigkeit eines vollkommenen Menschen, sofern er aus der Jungfrau geboren wurde; und hat er doch zugleich mit der Wirklichkeit des Leibes sein Bestehen im Wesen Gottes, und bleibt er doch zugleich mit seinem göttlichen Wesen in der Wirklichkeit des Leibes. 1: Vgl. Phil. 2, 6 f. 2: Vgl. Kol. 2, 9.
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