Hilarius von Poitiers († 367) - Zwölf Bücher über die Dreieinigkeit (De Trinitate) Neuntes Buch
15. Abwägung der Einwürfe der Irrlehrer. Wir haben also die (von Gott gefügte) Anordnung der Geheimnisse aufgezeigt, vermöge deren die Irrlehrer die Unkundigen täuschen, um alles dasjenige der Schwachheit der Göttlichkeit zuzuschreiben, was vermöge des angenommenen Menschenwesens gesagt und getan wurde, und alles der Gestalt Gottes aufzubürden, was auf die Eigentümlichkeit der Knechtsgestalt abgestimmt ist. Jetzt gilt es, ihren eigenen Aufstellungen Rede und Antwort zu stehen. Denn mit Sicherheit wird man nunmehr die verschiedenen Arten ihrer Behauptungen beurteilen können, da es allein der wahre Glaube ist, Jesus Christus als Wort und Fleisch, d. h. als Gott und Menschen, zu bekennen. Die Irrlehrer glauben also unserem Herrn Jesus Christus die Wesenheit des Gottseins deswegen abstreiten zu sollen, weil er gesagt habe: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur der eine Gott.”1 Notwendiges [S. 82] Erfordernis jeder Erwiderung ist es, aus dem Anlaß der Frage hervorzugehen. Darauf nämlich wird Erwiderung gegeben, wonach gefragt wird. Zunächst erfrage ich von dem Verleumder dieses Wortes, ob er wohl glaube, der Herr habe deswegen vorwurfsvoll gefragt, warum man ihn gut genannt habe, weil er lieber habe schlecht genannt werden wollen. Denn das scheint mit diesem Wort gemeint zu sein: „Was nennst du mich gut?” Ich glaube nicht, daß irgend jemand so jeden Sinnes bar ist, daß er demjenigen das Bekenntnis des Schlechtseins zuschreiben möchte, der gesagt hat: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken! Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin milde und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen! Mein Joch ist nämlich lieblich und meine Last ist leicht.”2 Als mild bekennt er sich und demutsvoll; und von ihm soll man glauben, er habe gezürnt, weil man ihn gut genannt habe? Die Verschiedenheit dieser feierlichen Worte duldet es nicht, daß der Zeuge seines Gut-seins den Namen seines Gut-seins anklagend zurückweise. Man erkennt also, daß er nicht darüber zürnt, gut genannt zu werden. Es gilt nun zu fragen, welch andere Bekundung über ihn derjenige zurückweist, von dem man nicht glauben darf, daß er die Bezeichnung seines Gut-seins zurückweise. 1: Mark. 10, 18. 2: Matth. 11, 28―30.
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